Christoph Baumann, langjähriges Mitglied im Hauptpersonalrat Schule mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Gesundheitsschutz, sprach mit Dr. Martin Düvel, einem nicht weniger erfahrenen Arbeitsmediziner und Betriebsarzt, der bei der Medical Airport Service GmbH (MAS) vor allem Schulen und Lehrkräfte berät und unterstützt.
Christoph Baumann: Was machen Sie konkret und was hat eigentlich eine Medical Airport Service GmbH mit Schulen zu tun?
Dr. Martin Düvel: Seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsschutzgesetz und dem Arbeitssicherheitsgesetz, die Beschäftigten in Schulen, bei der Polizei oder in anderen Dienststellen arbeitsmedizinisch zu betreuen, wird das Land Hessen mit der Beauftragung des MAS gerecht. Der MAS stellt die betriebsärztliche Versorgung sicher und unterstützt die Schulleitungen bei der Gefährdungsbeurteilung der schulischen Arbeitsplätze. Der MAS gibt auch konkrete Hilfestellung bei der gesetzlich geforderten Gefährdungsbeurteilung „Psychische Belastung“. Daneben bietet der MAS ein umfangreiches Programm an Fortbildungen zu Themen des Gesundheitsmanagements. Ich persönlich bin vor allem für Schulen, Schulleitungen und Lehrkräfte im Bereich Wetterau, Hochtaunus und Frankfurt zuständig, bin im MAS aber auch Kontaktperson zum Kultusministerium und deshalb auch Mitglied im Landesarbeitsschutzausschuss (LASA). Daher kennen wir uns ja, Herr Baumann. Arbeitsschutzausschüsse sind übrigens auch an jedem Schulamt etabliert.
Das heißt, wenn ich als Beschäftigter des Landes Hessen krank bin, kann ich auch zum Betriebsarzt gehen?
Nein, dann geht man in die Hausarztpraxis. Betriebsärztinnen und Betriebsärzte werden nicht therapeutisch tätig. Sie sind dann die richtigen Ansprechpersonen, wenn es um gesundheitliche Belange geht, die etwas mit dem Arbeitsplatz zu tun haben – von der Raumluft über Unfallgefahren bis zum Burnout. Sie beraten und unterstützen die Betriebe in allen Belangen des betrieblichen Gesundheitsschutzes. Dabei steht immer die Prävention im Vordergrund. Aber auch jede Beschäftigte kann sich ganz individuell an den Betriebsarzt wenden, wenn die Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Arbeit stehen.
Kann der Arbeitgeber oder – in unserem Fall – die Schulleitung das verhindern?
Nein, definitiv nicht. Nach § 11 Arbeitsschutzgesetz hat jede Lehrkraft einen Anspruch auf eine Wunschvorsorge beim Betriebsarzt des MAS. Der betriebsärztliche Dienst unterliegt dabei ausdrücklich der ärztlichen Schweigepflicht. Aus abrechnungstechnischen Gründen muss eine Wunschvorsorge zuvor der Schulleitung angezeigt werden, nicht aber das Ergebnis. Das Beauftragungsformular Arbeitsmedizinische Vorsorge findet man auf der Homepage des MAS (HLZ S.23). Die in der Wunschvorsorge festgelegten betriebsärztlichen Empfehlungen werden zunächst der betroffenen Lehrkraft ausgehändigt, die dann entscheiden kann, ob sie diese der Schulleitung vorlegt – zum Beispiel mit den fundierten Ratschlägen für eine Wiedereingliederung nach einer längeren Erkrankung.
Diese Empfehlung kann ich mir aber auch vom Facharzt oder der Hausärztin holen…
Das stimmt, aber die Ärztinnen und Ärzte des MAS, die für die Schulen tätig sind, kennen die Situation an den Schulen und die spezifischen Belastungen der Lehrkräfte sehr viel besser.
Und wie geht die Kontaktaufnahme konkret?
Auf der Homepage des MAS findet man sehr viele Infos, unter anderem auch das sogenannte Beauftragungsformular. Man findet dort auch alle Adressen und regionalen Zuständigkeiten. Übrigens gibt es diese Infos auch auf den Seiten der Schulämter.
Gibt es denn auch eine Beratung bei psychischer Überlastung?
Ja, da verweise ich auf unsere telefonische Hotline für Lehrkräfte jeweils am Montag und am Donnerstag unter der Nummer 0800-000-9843. Sie erhalten dort direkt, persönlich und unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht eine psychosoziale Beratung zu persönlichen Themen aus dem Alltag der Belastungen des Lehrerberufes.
Wie hat die Corona-Pandemie ihre Arbeit verändert?
Ganz heftig. Zuerst haben auch wir gelernt, über Videokonferenzen zu kommunizieren (lacht), insbesondere mit den Menschen, die von uns beraten werden wollen, die unsere Hilfe suchen oder einen Fortbildungsbedarf haben. Erinnern Sie sich noch an die Aufregung, als die ersten Schnelltests in den Klassen durchgeführt wurden und die Lehrkräfte dachten, sie müssten die Tests in voller Schutzmontur durchführen? Aber kein Zweifel: Die Ängste waren berechtigt und nachvollziehbar. Ich weiß nicht mehr, wie viele Fortbildungen ich auf diesem Weg durchgeführt habe. Heute kommunizieren wir auch als Beschäftigte des MAS regelmäßig über Videokonferenzen, um uns auszutauschen und abzustimmen. Allerdings gilt für die Betriebsärztinnen und Betriebsärzte des MAS ähnlich wie in einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis: In medizinischen Fragen gibt es kein Weisungsrecht der Vorgesetzten, sondern es gilt der betriebsärztliche Sachverstand, dem jede und jeder in eigener Verantwortung gerecht werden muss.
Deshalb kann es auch unterschiedliche Empfehlungen geben?
In der Tat. Aber das kennen Sie aus eigener Erfahrung, dass Sie bei zwei Ärztinnen oder Ärzten nicht immer dieselben Ratschläge bekommen…
Wir werden oft gefragt, ob eine Covid-Erkrankung als Arbeits- oder Dienstunfall anerkannt werden kann.
Das ist durchaus möglich, allerdings gibt es hohe Hürden. Denn der Nachweis, dass man sich am Arbeitsplatz infiziert hat, ist nicht leicht zu führen. Alle gehen ja auch zu Veranstaltungen oder zum Einkaufen. Aber die Meldung ist möglich und keine Schulleitung dürfte sich weigern, die Meldung eines solchen Arbeits- oder Dienstunfalls weiterzugeben.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit Long Covid?
„Long-Covid wird immer mehr zum Thema.“
Bei einer akuten Covid-Erkrankung gehen Lehrerinnen und Lehrer wie alle anderen Menschen wenn nötig zum Hausarzt oder zur Hausärztin, beachten die Regelungen zur Isolation und was sonst dazu kommt. Zum Glück verlaufen mehr als 90 Prozent der Infektionen glimpflich. In manchen Fällen kann eine zu schnelle Rückkehr zur vollen Arbeitsbelastung zu einem Rückfall führen und die Dauer der Symptomatik verlängern. Wir Betriebsärzte kommen dann ins Spiel, wenn Langzeitfolgen auch die Belastbarkeit im Beruf beeinträchtigen. Schwächegefühl, Konzentrationsdefizite, Wortfindungsschwierigkeiten, Vergesslichkeit, gerade diese möglichen neurologischen Begleiterscheinungen von Long Covid sind für Lehrerinnen und Lehrer fatal.
Was können Betriebsärzte dann tun?
Das Problem ist, dass Long Covid, anders als eine akute Covid-Infektion, nicht mit einem Teststäbchen nachgewiesen werden kann. Die Diagnose ist daher schwierig. Charakteristisch sind die lange Erholungszeit und die Vielfalt der Symptomatik – und das ist auch der Unterschied zur Grippe. Dann greift das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement, das für Lehrkräfte in der Pflichtstundenverordnung geregelt ist. Dabei wird die Zahl der Pflichtstunden reduziert und dann schrittweise wieder erhöht.
Noch schwerer ist allerdings der Nachweis, dass ein Burnout arbeitsplatzbedingt ist. Viele Schulleitungen, aber auch Betroffene selbst, sehen darin eher eine individuelle Schwäche und persönliches Versagen…
Das stimmt. Deshalb habe ich schon vorhin auf die psychosoziale Telefonberatung hingewiesen. Niemand muss das mit sich allein ausfechten. Auch den besseren Umgang mit Belastungen kann man lernen. Und man kann versuchen, den systemischen Ursachen auf den Grund zu gehen. Gefährdungsanalysen sind gesetzlich vorgeschrieben und sie dürfen auch nicht auf lose Kabel oder Stolperfallen begrenzt werden. Die psychosozialen Belastungen gehören dazu, das wissen Sie besser als ich. Viele Kollegien haben sich hier auch gemeinsam auf den Weg gemacht, zum Beispiel mit den Umfragen zur psychosozialen Belastung. Auch über diese Befragung, über Fortbildungen und Workshops, die wir an vielen Schulen an einem pädagogischen Tag durchführen, kann man sich auf unserer Homepage informieren.
Das geben wir als GEW gern an unsere Kolleginnen und Kollegen weiter. Einstweilen vielen Dank für das Gespräch.