Eine Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes ist überfällig

Aus- und Fortbildung

2019: Zum Koalitionsvertrag in Hessen

Die GEW Hessen begrüßt die Absicht von CDU und GRÜNEN, alle drei Phasen der Lehrerbildung besser zu verbinden und „bis zur Mitte der Legislaturperiode“ eine Novelle des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbG) auf den Weg zu bringen. Eine solche Novellierung des HLbG ist längst überfällig. Medienbildung, Digitalisierung und Inklusion sind für die GEW die größten aktuellen Herausforderungen für die Lehrerbildung, welche dringend thematisiert werden müssen. Durch den inklusiven Unterricht wird es in allen Schulformen erforderlich sein, besser auf die Arbeit in multiprofessionellen Teams von Lehrkräften, sozialpädagogischen Fachkräften, Psychologinnen und Psychologen und anderen Akteurinnen und Akteuren vorzubereiten. Auch Demokratiepädagogik, antirassistische Bildung und Bildung zur nachhaltigen Entwicklung (BNE) sollten stärker berücksichtigt werden. In der dritten Phase sind insbesondere fachdidaktische Themen zu verstärken. Neben der Pflicht sollte auch das Recht auf Fortbildung im HLbG verankert werden.

Erste Phase: Die GEW begrüßt die geplante Stärkung der Praxisorientierung im Studium. Vor der Einführung eines Praxissemesters in den Regelbetrieb des Lehramtsstudiums in Hessen sollten die vorliegenden Evaluationsergebnisse öffentlich diskutiert werden. Die von der Koalition vorgesehenen „zentralen Aufgabenstellungen“ in der ersten Staatsprüfung befürworten wir nicht, da sie unserer Auffassung nach nicht notwendigerweise zur Qualitätssteigerung der Prüfungen beitragen. Wir begrüßen dagegen ausdrücklich die Absicht, zu prüfen, „ob eine zeitliche Ausweitung des bislang 6-semestrigen Lehramtsstudiums für Grundschule erforderlich ist“. Angesichts des Mangels an Lehrkräften insbesondere für die Lehrämter Grundschule und Förderschule muss die Aufstockung der entsprechenden Studienplätze und der Zahl der Ausbildungsplätze im Vorbereitungsdienst deutlich stärker ausfallen als geplant. Mit Blick auf selbstkritischen Aussagen des alten und neuen Kultusministers ist es enttäuschend, dass die Koalitionsvereinbarung keine quantitativen Aussagen über den geplanten Ausbau macht (siehe Kasten).

Zweite Phase: Die GEW begrüßt die Beibehaltung des 21-monatigen Referendariats, vermisst aber grundsätzliche Überlegungen zur Reform der zweiten Phase. Die GEW fordert, die modularisierte Struktur des Vorbereitungsdienstes abzuschaffen und durch zwei fachdidaktische Stränge, einen allgemeinpädagogischen Strang sowie einen auf Beratung und Reflexion der Berufsrolle zielenden Strang zu ersetzen. Das erste Hauptsemester sollte bewertungsfrei sein. Auch die Anrechnung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV) auf die Stellenbilanz der Schulen wird im Koalitionsvertrag nicht in den Blick genommen. Sie sollte bei deutlich weniger als acht Stunden liegen. Falsch ist die Behauptung der Koalitionäre, sie hätten „bereits in der letzten Legislaturperiode eine Entlastungsstunde“ für Mentorinnen und Mentoren eingeführt. Wenige Tage vor der Wahl hatte Lorz in einer Pressemitteilung angekündigt, dass ab dem 1.2.2019 jede Schule pro LiV „eine Unterrichtsstunde zur Entlastung“ zugewiesen werden soll. Da LiV in der Regel zwei Mentorinnen und Mentoren haben, beträgt die Entlastung nur 0,5 Pflichtstunden pro Mentor oder Mentorin. Dies entspricht nicht einmal ansatzweise dem tatsächlichen Arbeitsaufwand für die Betreuung der LiV. Auch die Betreuung der Praktikantinnen und Praktikanten und von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern sollte entlastet werden.

Dritte Phase: Die Absicht, das schulische Fortbildungsbudget zu erhöhen, ist ebenfalls lange überfällig. Lehrerfortbildung benötigt aber auch dringend neue inhaltliche und strukturelle Konzepte, die auch die fachdidaktischen Bedürfnisse erheben und evaluieren. Regionale, durch Landesmittel finanzierte Fortbildungszentren sollten wieder hessenweit installiert werden. Außerdem müssen die Universitäten als derzeitige und zukünftige Anbieter von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen neu in den Blick genommen und mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Hospitationen, kollegiale Fallberatungen und extern begleiteter Supervisionen sind sinnvolle Instrumente der Fortbildung und zur Entlastung von Lehrkräften. Der Sinn eines neuen „Hessischen Lehrerpreises“ erschließt sich uns hingegen nicht. Unterrichtliches Handeln erfordert heute mehr denn je die Fähigkeit zur Teamarbeit, weshalb einzelne Lehrkräfte weder in Wettbewerben noch auf Beurteilungsplattformen im Internet einem Ranking unterzogen werden sollten. Bei der „Qualifizierungsreihe für Schulleiterinnen und Schulleiter“ ist von einem „erfolgreichen Start“ dier Rede. Die GEW mahnt seit längerer Zeit eine unabhängige Evaluierung und Überprüfung des Konzepts von „Führung“ an. Dabei ist auch der Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern für Leitungsfunktionen in einzelnen Schulformen zu berücksichtigen.

Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger: Ihre Integration ist in hohem Maße von der Belastung der Kolleginnen und Kollegen abhängig. Das Vertrauen der Koalition „in die Entscheidung der Schulleiterinnen und Schulleiter, pädagogisch geeignetes Personal einzusetzen“, darf nicht über die große Herausforderung einer gründlichen Qualifizierung hinwegtäuschen. Wie „passgenaue Fortbildungen“ auf den Einsatz in der Schule vorbereiten sollen, sagen die Koalitionäre nämlich nicht. Wir halten Mentoringprogramme für den Berufseinstieg generell für notwendig, gerade auch für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger.

Andrea Gergen und Christina Nickel

Andrea Gergen und Christina Nickel leiten das Referat Aus- und Fortbildung im GEW-Landesvorstand.

Was nun, Herr Lorz?

Ende 2018 übernahm der Hessens Kultusminister Lorz routinemäßig die Präsidentschaft in der Konferenz der Kultusministerinnen und Kultusminister (KMK). Er sah aus diesem Anlass Hessen „auf einem guten Weg, mit den bereits aufgestockten Ausbildungskapazitäten den Bedarf für die Neubesetzung von Stellen decken zu können“, und ergänzte selbstkritisch: „Da ist noch nicht viel Puffer drin.“ Es sei nämlich nicht damit getan, Lehrkräfte zu ersetzen. Unter anderem wegen der Ganztagsbetreuung würden deutlich mehr Lehrerinnen und Lehrer benötigt. (www.hessenschau.de).