Bericht zur Fachtagung "All inclusive?"

Anforderungen an die Lehrer_innenbildung für die Arbeit in multiprofessionellen Teams | am 6. September 2018

Referat Aus- und Fortbildung von Lehrer_innen

In der gewerkschaftlichen Diskussion um die Umsetzung der Inklusion an Schulen wird die Forderung nach der Einführung von multiprofessionellen Teams im Unterricht immer deutlicher hörbar. Dem trägt der Beschluss des Gewerkschaftstages der GEW aus dem Jahr 2017 Rechnung. Hier werden unter der Überschrift „Es gibt keine Alternative zur Inklusion“ allgemeine Forderungen zur Arbeit im inklusiven Unterricht formuliert.

Multiprofessionelle Teams

"In den inklusiven Schulen arbeiten multiprofessionelle Teams mit den verschiedenen pädagogischen Professionen (allgemeine und sonderpädagogische Lehrkräfte sowie sozialpädagogische, therapeutische und andere Fachkräfte). Die Bedingungen an den Schulen sind so zu gestalten, dass die verschiedenen Professionen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und gemeinsam die Schulentwicklung gestalten können. Multiprofessionelle Teams brauchen personelle Kontinuität. Deshalb sind prekäre und befristete Anstellungsverhältnisse in der sozialen Arbeit an Schulen und in der Ganztagsbetreuung abzulehnen.(1)

Auch in Bezug auf die Lehrer_innenbildung findet der Beschluss des Gewerkschaftstages klare Worte. So fordert er die strukturelle und  konzeptionelle Verankerung der multiprofessionellen Zusammenarbeit in allen Phasen der Ausbildung zum Lehramt sowie die Entwicklung eines Orientierungswissens zu den spezifischen Bildungs- und Erziehungsauftrag und zu den Rollen, Zuständigkeiten und Grenzen der verschiedenen Professionen.

„Wichtige Bestandteile der Lehrer_innenbildung sind in diesem Zusammenhang Projektlernen, kooperative Unterrichtsplanung, Fallarbeit, kollegiale Beratung/Beratungskompetenz, Feedbackverfahren und Hospitationen und nicht zuletzt die Kooperation mit anderen Institutionen und Professionen im Erziehungs- und Bildungsbereich. (…) Um die gemeinsame Verantwortungsübernahme aller beteiligten Pädagog_innen und die Kooperation in multiprofessionellen Teams zu unterstützen, tritt die GEW perspektivisch für ein gemeinsames bildungswissenschaftliches Kerncurriculum für̈r alle Pädagog_innen ein.“ (2)

Vor diesem Hintergrund fand am 6. September 2018 die Fachtagung des Referats AuF unter dem Titel „All inclusive? Anforderungen an die Lehrer_innenbildung für die Arbeit in multiprofessionellen Teams“ im DGB-Haus in Frankfurt am Main statt. Ziel der Veranstaltung war es, vor dem Hintergrund eines Impulsvortrags unter dem Titel „Rollen-Ziele-Rahmenbedingungen zu multiprofessioneller Zusammenarbeit klären“ und eines Referats der Arbeitsgruppe des Forschungsprojekts „SteG-Kooperation“ der Universität Gießen zum Thema „multiprofessionelle Kooperation als Basis für Inklusion an Ganztagsgrundschulen“ bei einer Podiumsdiskussion verschiedene Vorkenntnisse, Meinungen zum Thema zu bündeln, um daraus politische Forderungen zur  Weiterentwicklung inklusiven Unterrichts zu formulieren.

Martina Schmerr vom Organisationsbereich „Schule“ im GEW-Hauptvorstand eröffnete die Veranstaltung mit ihrem Vortrag zu Rollen, Zielen und Rahmenbedingungen multiprofessioneller Zusammenarbeit. Sie betonte die Notwendigkeit des Bewusstseins von Pädagog_innen für einen gemeinsamen Bildungsauftrag, „der da heißt ‚Inklusion‘ oder auch ‚Verständnis für und Wertschätzung von Vielfalt‘“. Eine reibungslose Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams im inklusiven Unterricht sei nicht selbstverständlich, da hier unterschiedliche Voraussetzung, unterschiedliche Verständnisse von Pädagogik und unterschiedliche berufliche Selbstverständnisse aufeinanderträfen. Es sei notwendig, eine gemeinsame Sprache zu finden und eine Vorstellung davon zu entwickeln, was Bildungsarbeit ausmache.

In diesen Zusammenhang stellte Schmerr das Ethos der Bildungsinternationalen aus dem Jahr 2013 als „Kompass für bestimmte Werte und Grundhaltungen“, die in Bildungssystemen vorhanden sein sollten. In ihm werde beispielsweise die Forderung nach Achtsamkeit gegenüber Kolleginnen und im Auftreten gegenüber Schüler_innen formuliert. Das Bewusstsein der Professionalisierung solle gestärkt und der Respekt in der Gesellschaft gegenüber berufsethischen Entscheidungen gesichert werden. So berichteten beispielsweise Gewerkschafter_innen in Norwegen und Schweden, dass politische Ziele durch die berufsethische Verankerung von bildungstheoretischen Überzeugungen besser durchgesetzt werden können. Mit der Forderung nach einer derart fundierten Qualitätssicherung der Lehrer_innenbildung schloss Martina Schmerr ihren Vortrag in der Hoffnung auf eine umfassende Verbesserung der Pädagog_innenaus- und Fortbildung.

Die nun folgenden Referent_innen griffen dieses Stichwort auf. Stephan Kielblock, Johanna M. Gaiser und Martin Reinert vom  Institut für Erziehungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen berichteten über die Ergebnisse des Forschungsprojekts „StEG-Kooperation“, das die Arbeit von multiprofessionellen Teams im inklusiven Unterricht an Ganztagsgrundschulen beforscht. Die Studie StEG-Kooperation ist als prozessbegleitende Interventionsstudie angelegt. Sie umfasst zwei Phasen: In der ersten Phase entwickelt das Projektteam gemeinsam mit einem Expertenteam aus Schulpraktiker_innen mit der hessischen Serviceagentur „Ganztägig lernen“ eine Fortbildung zum Thema „Multiprofessionelle Kooperation als Basis für Inklusion“. Die zweite Phase beinhaltet die Umsetzung dieser Fortbildung an den vier teilnehmenden Ganztagsgrundschulen sowie die Untersuchung ihrer Wirkung mittels qualitativer, prozessbegleitender Methoden über einen längeren Zeitraum. (3)

Das in diesem Zusammenhang entwickelte Fortbildungskonzept für Lehrpersonen stieß beim anwesenden Publikum auf besonderes Interesse. Die Wissenschaftler_innen benannten als größte Herausforderung die schulpraktische Bearbeitung unterschiedlicher Rahmenbedingungen der Akteure in multiprofessionellen Teams wie zum Beispiel voneinander abweichende Zeitkontingente. Konkret lautete die Frage: „Wie kommen alle an einen Tisch?“ Als in der Fortbildung modellhaft entwickelte Maßnahme skizzierten sie die Arbeit mit multiprofessionellen Tandems an ganztagsschulischen Standorten mit sechs unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten.

Das Modell der Fortbildung, die aus drei Themenkomplexen besteht und darauf abzielt, die konkrete Zusammenarbeit im Team zu reflektieren und zu verbessern, stieß bei den Anwesenden auf großes Interesse. So wurde der Wunsch geäußert, die Fortbildung für Schulen zu „buchen“ oder die erstellten Handreichungen zu erwerben. Daraufhin verwiesen die Referent_innen auf die Notwendigkeit, diese Fortbildung von einem projektbezogenen Modell in ein vom HKM gefördertes Modell mit Breitenwirkung zu überführen und es in Hinblick auf anstehende Schulpraktika in der Lehrer_innenbildung zu erweitern. Von den anwesenden Mitgliedern der GEW wurde diese Forderung ausdrücklich unterstützt.

Die beiden theoretisch umrissenen Themenfelder der Gelingensbedingungen für multiprofessionelle Zusammenarbeit und ihre Erprobung in den Praxisphasen der Lehrer_innenbildung wurden in der nun folgenden Podiumsdiskussion aus verschiedenen Perspektiven betrachtet.

Es diskutierten

  • Monika Frobel | GEW Fachgruppe sozialpädagogische Fachkräfte im Schuldienst 
  • Katja Plazikowsky | GEW Fachgruppe Sonderpädagogik
  • Ulrich Recker | Ausbilder am Studienseminar für GHRF
  • Janina Göck | Ausbildungsbeauftragte am Studienseminar für GHRF
  • Katharina Ebert | ehemalige LiV am Studienseminar für GHRF

Die Diskussion war in drei Themenblöcke unterteilt, in denen auch die Teilnehmer_innen der Fachtagung zu Wort kamen und Fragen an das Podium formulierten. Im ersten Teil wurden Erfahrungswerte zur Arbeit in multiprofessionellen Teams geäußert und diskutiert. Der zweite Block thematisierte die Rahmenbedingungen für die Arbeit in multiprofessionellen Teams. Im dritten Block entwarfen die Anwesenden Perspektiven der Lehrer_innenbildung für die Arbeit in multiprofessionellen Teams.

Im Mittelpunkt des ersten Themenblocks standen zunächst die Erfahrungen der Podiumsteilnehmer_innen und des Publikums mit dem Gemeinsamen Unterricht (GU) in Hessen, der mit der Einführung inklusiven Unterrichts abgeschafft wurde. Besonders hervorgehoben wurden unterstützende schulischen Strukturen, die sich im GU durch durchgehende Doppelbesetzung von Fach- und Förderschulehrer_innen in kleinen Lerngruppen auszeichneten. Dazu gehörte der Unterricht in allen Klassen und ein Team, das alle Erfahrungen teilte und dessen Mitglieder sehr aufeinander bezogen waren, gleichzeitig aber auch ihre Rollen regelmäßig neu definieren mussten. Auffällig war, dass sowohl die berufseinsteigenden als auch die erfahrenen Lehrer_innen positive Erfahrungen mit der Arbeit in multiprofessionellen Teams im inklusiven Unterricht gemacht hatten.

Auf die Frage der Moderatorinnen, warum die Arbeit in multiprofessionellen Teams für einen gelingenden inklusiven Unterricht unerlässlich seien, waren die Antworten erstaunlich vielfältig. Zum einen wurde betont, heterogene Gruppen müssten auch professionell heterogen versorgt werden. Dies bedeute, Kompetenzen abzugeben, Verantwortung zu teilen und die Arbeit am gemeinsamen Gegenstand anzustreben. Aus Ausbilder_innenperspektive seien Unterrichtsbesuche mit fachlichem und förderpädagogischen Schwerpunkt sowie der Kontakt zu Ansprechpartner_innen wie Schulsozialarbeiter_innen und medizinischem Fachpersonal wichtig.

In diesem Zusammenhang kam die Frage nach der idealen Zusammensetzung von multiprofessionellen Teams auf. Im Verlauf des Gesprächs wurde man sich einig, dass Professionalität ist Grundlage der Multiprofessionalität sei und man sich der Definition des Gewerkschaftstagsbeschluss (2017) für multiprofessionelle Teams anschließe (s.o.). Zum Team gehörten allgemeine und sonderpädagogische Lehrkräfte, sozialpädagogische, therapeutische und andere Fachkräfte. Sie alle könnten Zusammenarbeit so gestalten, dass verschiedenen Professionen auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Dazu gehöre auch die gemeinsame Gestaltung von Schulentwicklung auf der Grundlage personeller Kontinuität.

Die Aufgaben der Verantwortlichen in multiprofessionellen Teams seien unterschiedlich verteilt. Während Fach- und Klassenlehrerinnen Verantwortung für die Klasse übernehmen müssten, legten Förderpädagog_innen ihre Schwerpunkte auf Diagnostik und die gemeinsame Differenzierung im Unterricht. Es sei insbesondere die Aufgabe der Sonderpädagog_innen pädagogische Schwerpunkte im Unterricht zu setzen. Dennoch müsse berücksichtigt werden, dass professionelle Pädagog_innen einen gemeinsamen Bildungsauftrag haben, den das hessische Schulgesetz beschreibt. Ihm seien alle beteiligten pädagogischen Professionen zuzuordnenden. Aufgaben der Mitglieder im Team seien nicht in Abgrenzung wahrzunehmen, sondern gleiche Ziele müssten in gemeinsamer Planung verwirklicht werden.

In einer Zwischendiskussion mit den Teilnehmer_innen der Fachtagung wurden weitere Perspektiven der Arbeit in multiprofessionellen Teams angeschnitten. So wurde bemängelt, dass die Grundschulen, die ihren Auftrag für Inklusion angenommen hätten, nicht erwähnt würden und dass die Inklusion an weiterführenden Schulen häufig zur Aufgabe der Sonderpädagog_innen erklärt werde. Problematisch sei auch der Umgang mit Teilhabeassistent_innen. Deren professionellen Hintergründe seien meist unbekannt. Sie würden von unterschiedlichen Trägern angestellt und unterschiedlich bezahlt und die Zeiten für Absprachen seien nicht definiert. Außerdem wurde gefragt, welche weiteren Anlässe für Zusammenarbeit es gebe (z.B. im Ganztag) und was dies für die Ausbildung bedeute.

Zusammenfassend wurde festgehalten, dass Arbeit im multiprofessionellen Team Entlastung und Bereicherung zugleich sein könne, in der die verschiedenen Professionen voneinander lernen; eine klare Abgrenzung der Aufgaben im Team sei aber nicht möglich, sondern man müsse gemeinsam planen und den Unterricht gestalten. Die Zusammenarbeit mit Teilhabeassistent_innen sei davon gesondert zu betrachten. Sie werde von der GEW grundsätzlich kritisch betrachtet, da hier prekäre Beschäftigungsverhältnisse geschaffen würden, deren Aufgabenbeschreibungen diffus seien.

Im Mittelpunkt des zweiten Themenblocks standen die Rahmenbedingungen für die Arbeit und die Ausbildung für die Arbeit in multiprofessionellen Teams im inklusiven Unterricht. Auch für dieses Thema liefert der Beschluss des Gewerkschaftstages wegweisende Hinweise (s.o.). Grundsätzlich wurde festgehalten, dass das deutsche dreigliedrigen Schulsystem die Umsetzung der Inklusion und die Arbeit in multiprofessionellen Teams hemmt. Wenn die Idee der Inklusion bis zum Ende gedacht werde, müsse das bildungspolitische Ziel „eine Schule für Alle“ sein. Zu seiner Umsetzung müsse die Attraktivität der pädagogischen Berufe gesteigert und auf eine äquivalente hochschulische Ausbildung sowie auf gleiche Bezahlung aller Verantwortlichen im multiprofessionellen Team hingearbeitet werden.

In Bezug auf die Lehrer_innenbildung wurde hervorgehoben, dass die Rahmenbedingungen für die Arbeit in multiprofessionellen Teams in allen drei Ausbildungsphasen festgelegt werden müsse. Dazu gehörten feste Zeiten für die Koordination der Arbeit im Team, Entlastungsstunden, Doppelbesetzung, interne oder unterstützende Beratung, Supervsion und die Möglichkeit der kollegialen Fallberatung. In den ersten beiden Ausbildungsphase müssten die Themen „Inklusion“ und das Lernen über Teamteaching als  Pflichtmodule verankert werden. Dabei wurde betont, dass dies auch im modularisierten System der seminaristischen Ausbildung möglich sei, wenn LiV verschiedener Schulformen von Anfang an mit ihren Mentor_innen zusammenarbeiteten, d.h. in Doppelbesetzung eingesetzt würden.

Auch hier gab es kontroverse Rückmeldungen aus dem Publikum. So wurde darauf verwiesen, dass im Gewerkschaftstagsbeschluss der GEW der Verzicht auf das Förderschullehramt verankert sei. Aus grundschulpädagogischer Sicht wurde die die Klassifizierung der Lehrämter im deutschen Schulsystem grundsätzlich hinterfragt. Ziel der Umstrukturierung der Lehrer_innenbildung müsse die Integration förderpädagogischer Inhalte in alle Lehrämter sein.

Als Kompromiss wurde in dieser Kontroverse vorgeschlagen, das Förderschullehramt zwar abzuschaffen, aber  sonderpädagogische Kompetenzen als Studienfach zu erhalten und ausgewiesene Expertinnen mit sonderpädagogische Kompetenzen auszubilden. Die GEW solle nicht „alles Heil“ in der Sonderpädagogik suchen; die Forderung nach durchgehender Doppelbesetzung im Unterricht sei fragwürdig und müsse mit einem vernünftigen Teamkonzept verbunden werden, um Professionen durch diese Muster nicht zu beschädigen. Zusätzlich zu Fortbildungen solle es eine Ausweitung der Praxisforschung zur Arbeit in multiprofessionellen Teams geben, um empirisch fundierte Aussagen über die inklusive Praxis erstellen zu können.

Zusammenfassend wurde festgehalten, dass Koordinationsstunden für die Arbeit in multiprofessionellen Teams sowohl in der schulischen Praxis als auch in der Ausbildung Grundvoraussetzung für ein Gelingen der Arbeit im inklusiven Unterricht seien. Die GEW müsse sich grundsätzlich zu der Frage positionieren, welche Rolle die sonderpädagogische Ausbildung im Lehramt in Zukunft spielen solle.

Im dritten Themenblock wurden die Anforderungen an die Ausbildung für die Arbeit in multiprofessionellen Teams vertiefend thematisiert. Zentrale Elemente der Ausbildung müssten Information, Reflexion und Supervision zur Arbeit in multiprofessionellen Teams sein. Insbesondere an Freiräumen zur Reflexion mangele es derzeit noch. In diesem Kontext wurde auch die Haltung unterschiedlicher Lehramtskandidat_innen in Bezug auf die Inklusion kritisch unter die Lupe genommen, da sie z.T. kontraproduktiv für die Kooperationen in multiprofessionellen Teams seien. Wichtig sei ein gemeinsames Studium aller Lehrämter am Anfang der Ausbildung, damit pädagogische Haltung für alle Lehrämter gemeinsam entwickelt werden könne. In den universitären Praxisphasen und in der zweiten Ausbildungsphase müsse im multiprofessionellen Team gearbeitet werden - ansonsten werde man am Ende der Ausbildung unvorbereitet in die Inklusion „geworfen“.

In diesem Zusammenhang wurde beklagt, dass für die Doppelbesetzung von LiV und Mentor_innen nur  schwammige Voraussetzungen im HLbG formuliert seien. Man benötige dafür mehr Spielraum, z.B. durch weniger Anrechnungsstunden für LiV, um Erfahrungen sammeln zu können. Die Bewertungssituation sei im Vorbereitungsdienst dauernd präsent. Die gemeinsame Ausbildung aller Studienseminare, inklusive der gymnasialen, sei wichtig, um an allen Schulen gemeinschaftlich  arbeiten zu können. Daher stehe die GEW für die Idee ein, die Lehrer_innenbildung nach Schulstufen statt nach Schulformen zu organisieren.

Abschließend diskutierten alle Anwesenden die detaillierten Wünsche für die weitere Entwicklung der Ausbildung. Dazu gehörte die Perspektive von mehr bewertungsfreien Räume für Referendar_innen und von einem Abbau von  Hierarchien in der Arbeit in multiprofessionellen Teams. Lehrer_innen und Pädagog_innen seien dem hessischen Schulgesetz und Dienstordnung verpflichtet; die Weisungsbefugnis liegt bei der Schulleitung, nicht bei den Klassenlehrer_innen. Daher müsse die Verantwortung im Team gemäß den Formulierungen im hessischen Schulgesetz geteilt werden. Besonders hervorgehoben wurde der Hinweis, dass der Begriff des „Inklusionskindes“ Selektion reproduziere. Wenn jedes Kind an der Gesellschaft teilhaben solle, sei diese durch Sprache hörbare Negativhaltung gegenüber der Inklusion aufzulösen.

In Bezug auf die schulpolitische Organisation der Inklusion wurde gefordert, sonderpädagogische Lehrkräfte fest an den Schulen zu installieren, damit die Arbeit in multiprofessionellen Teams zur Selbstverständlichkeit werde. So müsse die Arbeit im inklusiven Kontext auch gewürdigt und angerechnet werden, da es sich um erhebliche Mehrarbeit für LiV in inklusive beschulten Klassen handle.

Gefordert wurde auch die Berücksichtigung der Thematik an  beruflichen Schulen, da es in der Berufsschullehrer_innenbildung bislang keinen Ansatz gebe, Erfahrungen mit der Inklusion zu sammeln. In diesem Zusammenhang wurde betont, dass die beruflichen  Studienseminare in der Diskussion um Lehrer_innenbildung weiter ausgegrenzt würden. Die Thematik „Inklusion“ sei jedoch nicht auf das Regelschulsystem begrenzt. Auch die hessische Enquetekommission zu bildungspolitischen Fragen verweise darauf, dass die Ausbildung von Lehrkräften aller Schulformen angepasst werden müsse.

Zusammenfassend konnte festgehalten werden, dass für die Arbeit in multiprofessionellen Teams im inklusiven Unterricht grundsätzliche Umstrukturierungen in der Lehrer_innenbildung notwendig seien. Dies betreffe alle Schulformen, insbesondere auch die Grundschulen und die beruflichen Schulen. Diese Erkenntnis müsse auch in der anstehenden Novellierung des Hessischen Lehrer_innenbildungsgesetzes ihren Niederschlag finden.

Andrea Gergen und Christina Nickel

Bericht zum Download


(1) Vgl. GEW (2017), S. 59, zitiert nach: https://www.gew.de/28-gewerkschaftstag/         

(2) Vgl. GEW (2017), S. 39, zitiert nach: https://www.gew.de/28-gewerkschaftstag/

(3)  Vgl. https://www.projekt-steg.de/content/steg-kooperation