Im Jahr 2021 hat das Hessische Kultusministerium (HKM) gemeinsam mit der Lehrkräfteakademie ein Programm entwickelt, das für Mangelfachrichtungen im Bereich der Berufsschulen gedacht war. Beschränkt war diese Förderung zunächst auf Lehramtsstudierende in den Fachrichtungen Metalltechnik, Elektrotechnik und Informatik an der Universität Kassel und der TU Darmstadt. Gießen war aus organisatorischen Gründen nicht im Boot. Das Lehramt für berufliche Schulen ist weiterhin das einzige Lehramt in Hessen, das im Rahmen eines Bachelor-/Masterstudiengangs erworben wird. Bedingung für die Förderung ist die Verpflichtung, das Referendariat in Hessen zu absolvieren, danach kann eine Lehrkraft frei entscheiden, ob sie in den hessischen Schuldienst geht oder sich auch für andere Bundesländer bewirbt. Das HKM beschreibt seine Intention im entsprechenden Erlass wie folgt:
„Um den Studierenden dieser Fachrichtungen Anreiz und Perspektive für eine Stelle im hessischen Schuldienst zu geben, wird die Möglichkeit einer monetären Unterstützung und einer durch die Studienseminare fachlich begleitenden Praxiserfahrung geschaffen, die den Studierenden ermöglicht, während des Studiums in finanzieller Unabhängigkeit wertvolle Einblicke in den Schuldienst und in die zweite Phase der Lehrkräfteausbildung zu erhalten. Mit dem Erwerb des Masters of Education kann im Anschluss eine Einstellung in den pädagogischen Vorbereitungsdienst erfolgen und die Befähigung zum Lehramt an beruflichen Schulen erworben werden.“
Die Maßnahme beinhaltet im ersten Semester des Masterstudiengangs eine sechsstündige Hospitation in der entsprechenden Schulform an einer Kooperationsschule, im zweiten Semester angeleiteten Unterricht und vom dritten bis sechsten Semester sechs Stunden eigenverantwortlichen Unterricht. Dieser Unterricht wird mit E 11 TV-H vergütet, zusätzlich erhalten die Studierenden 1.000 Euro Förderung des Landes Hessen. Die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen an den Studienseminaren und ein Unterrichtsbesuch pro Semester sind verpflichtend. Deshalb sind der Mittwoch und ein Randtag in der Woche für die schulische Ausbildung, den Unterricht und die studienbegleitenden Veranstaltungen am Studienseminar freizuhalten.
Erfahrungen aus dem Pilotversuch
Ein Pilotversuch, der im Jahr 2021 begann, hat gezeigt, dass die 40 zur Verfügung stehenden Plätze nicht annähernd besetzt werden konnten. Es gab lediglich 15 Bewerbungen, 13 traten die Maßnahme dann auch tatsächlich an, nach der Probezeit von einem halben Jahr blieben nur noch 12 Personen an den beiden Standorten übrig. In Kassel war es zudem aufgrund sinkender Schülerzahlen nicht einfach, die Personen an Schulen unterzubringen. Für die zweite Staffel sind folgende Änderungen vorgesehen:
Zukünftig soll es möglich sein, nicht nur einmal im Jahr, sondern in jedem Semester mit der Maßnahme zu beginnen, sodass die 40 vorhandenen Plätze pro Jahr für die Förderung auf Sommer- und Wintersemester mit jeweils 20 Plätzen verteilt werden.
Die Maßnahmen werden erweitert, in Kassel um den Bereich Gesundheit, in Darmstadt um die Bereiche Informatik und Chemietechnik, um auch andere Mangelfachrichtungen in den Blick zu nehmen.
Der Förderzeitraum beginnt jetzt am 1.2. oder am 1.8. eines Jahres. Dadurch lassen sich die Teilnehmenden besser in den Stundenplan der Kooperationsschulen einpassen. Durch den späteren Beginn lässt sich die Förderung bis zum Beginn des Referendariats nach hinten verlängern, sodass die Teilnehmenden keine Verschlechterungen hinnehmen müssen. Die Phase der Nichtförderung ist somit von hinten, vom Übergang ins Referendariat nach vorne gerutscht.
Sollte es mehr als 20 Bewerberinnen und Bewerber pro Semester geben, gibt es Kriterien zur Auswahl (Fachrichtung, Bedarf an Schulen, Note etc.).
Neu ist die Trennung von Förderung (1.000 Euro) und Entgelt für den Unterricht (TV-H E 11), das im Vergleich zu anderen Lehramtsstudierenden als sehr gut einzustufen ist. Studierende für das Lehramt an beruflichen Schulen, die nicht an dem Förderprogramm teilnehmen, werden als Vertretungslehrkräfte an beruflichen Schulen auch nach dem neuen TV EGO-L-H lediglich nach E8 vergütet, wenn sie bereits die schulpraktischen Studien absolviert haben. Alle Studierenden im Förderprogramm erhalten das Hessenticket und sind berechtigt, Reisekosten abzurechnen. Die Förderung ist nur dann zurückzuzahlen, wenn das Referendariat nicht in Hessen absolviert wird. Nach dem Referendariat besteht keine Verpflichtung, in Hessen zu arbeiten.
Nur ein Feigenblatt?
Die GEW und der Hauptpersonalrat Schule (HPRS) halten die finanzielle Förderung von Lehramtsstudierenden für einen möglichen Ansatz, um zusätzliche Anreize für ein Lehramtsstudium zu schaffen. Zu dem konkreten Programm gibt es jedoch mehrere begründete Fragen:
Warum werden nicht auch andere Fachrichtungen wie beispielsweise Wirtschaft und Verwaltung als Mangelfachrichtungen eingestuft?
Warum ist es in Hessen nicht möglich, einen Masterstudiengang in Sozialpädagogik zu absolvieren? Aufgrund dieser Lücke ist auch eine entsprechende Förderung ausgeschlossen, obwohl der Bedarf an Fachkräften hier weiter steigen wird.
Zur Erprobung und Umsetzung der Masterförderung müssen Universitäten organisatorische Höchstleistungen im Zusammenspiel mit anderen Studiengängen erbringen, an Studienseminaren werden eigene Veranstaltungen eingerichtet und die Kooperationsschulen müssen erst einmal gefunden werden. Lohnt sich dieser Aufwand, wenn am Ende des Jahres ganze 12 Personen in einem Jahr für die Maßnahme zu gewinnen waren? Stehen hier Aufwand und Ertrag auch nur annähernd in einem gesunden Verhältnis? Orientiert sich die Maßnahme an den tatsächlichen Bedarfen oder suggeriert sie einen Mangel, der tatsächlich so gar nicht oder nur regional vorhanden ist? Und zeigt sie nicht auch, dass der Mangel so gravierend ist, dass ihm nur mit einem ganzen Maßnahmenbündel beizukommen wäre?
In der Erörterung mit dem HPRS hat das HKM eingeräumt, dass die Maßnahme noch nicht optimal angenommen wurde und auch die sinkenden Schülerzahlen hier problematisch sind. Das HKM geht jedoch davon aus, dass bei der Berücksichtigung des Studiengangs Wirtschaft und Verwaltung die 40 Plätze pro Jahr nicht ausreichen werden. Bei der Einrichtung eines Masterstudiengangs Sozialpädagogik sieht das HKM die Universitäten in der Pflicht. Auch diese Auskunft konnte den HPRS nicht zufrieden stellen, denn wer soll zukünftig die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher stemmen? Und bestimmt der Druck aus der Wirtschaft, was zum Mangellehramt erklärt und damit besonders gefördert wird?
Lehrkräftemangel gibt es nicht nur an den beruflichen Schulen (HLZ S.14f.). Auch für Studierende in den anderen Lehrämtern muss es dringend zusätzliche Anreize geben. Dem HKM kommt entgegen, dass es sich beim Studium für das Lehramt für berufliche Schulen um einen Bachelor/Masterabschluss handelt, was in den anderen Lehrämtern nicht der Fall ist. Deshalb ist hier die Förderung nach absolviertem Bachelor auf einer Grundlage des vorhandenen Bachelors aufzubauen.
Lehrkräftemangel an Grundschulen beseitigt?
Auf die Nachfrage des HPRS, ob auch im Grundschul- und Förderschulbereich vergleichbare Förderungsangebote denkbar seien, überraschte das HKM mit der Mitteilung, dass der Lehrkräftemangel im Grundschulbereich mittelfristig bis etwas 2025 behoben sein werde. Zusätzlich gebe es hier wie auch im Förderschullehramt genügend Studienanfänger, sodass man keine Notwendigkeit sehe, weitere Maßnahmen aufzulegen. In diesem Zusammenhang sieht das HKM derzeit auch keine Verlängerung der ergriffenen Maßnahmen vor. So soll es zukünftig nicht mehr die Möglichkeit geben, dass Kolleginnen und Kollegen, die das Erste Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien haben, ein Referendariat an der Grundschule absolvieren. Auch die Qualifizierung von Quereinsteigern mit Bachelor oder Diplom für das Grundschullehramt soll nicht fortgesetzt werden. Hier denke man eher über eine Quereinstiegsmaßnahme im Bereich des Haupt- und Realschullehramts nach, weil hier nicht mehr genügend Studienanfänger vorhanden seien. Die Wirklichkeit in den Schulen und die Zahlen (HLZ S.14f.) zeigen ein anderes Bild.
Sieht man die Maßnahme insgesamt, so muss die Frage erlaubt sein, ob es sich bei der Masterförderung nicht eher um ein Feigenblatt handelt, mit dem die tatsächlichen Defizite und Versäumnisse verborgen werden sollen.
Christina Nickel