Wahlprüfsteine zum Thema Berufliche Bildung

1. Fast die Hälfte der Lehrkräfte an Beruflichen Schulen verfügt nicht über das Lehramt an Beruflichen Schulen. Wie will ihre Partei dem begegnen?

Wir bekennen uns zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung und einer erfolgreichen Berufsorientierung. Wirtschaft, Wohlstand und Fachkräftesicherung brauchen handwerklich begabte Schulabgängerinnen und Schulabgänger ebenso wie Abiturientinnen und Abiturienten, die eine universitäre Ausbildung anstreben. Um die berufliche Bildung im gesamten Bildungsweg zu stärken, brauchen wir eine leistungsstarke Berufsschullandschaft und die Umsetzung des Konzepts „Zukunftsfähige Berufsschule”. Wir werden unsere Berufsschulen mit modernsten Geräten ausstatten, das Lehrpersonal aufstocken und für dezentrale Standortsicherheit sorgen. Dazu werden wir prüfen, ob wir ein eigenes Kommunales Investitionsprogramm für Berufsschulen („KIP Berufsschulen“) einführen können. Außerdem wollen wir mit den Nachbarländern über mögliche Kooperationen sprechen. Als CDU Hessen stehen wir dafür, den Schülerinnen und Schülern an den Beruflichen Schulen eine optimale Unterrichtsversorgung zukommen zu lassen. Das Rückgrat dieser Unterrichtsversorgung ist eine gute Versorgung mit gut ausgebildeten und motivierten Berufsschullehrkräften. Unsere beruflichen Schulen brauchen die besten Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben den Anspruch, dass Hessen ein attraktiver Arbeitgeber für Lehrerinnen und Lehrer ist und diese sich gerne für einen Job in den hessischen Schulen entscheiden. Darauf legen wir auch in den nächsten Jahren einen finanziellen Schwerpunkt. Mit vielfältigen Maßnahmen setzen wir uns dafür ein, mehr junge Menschen vom Berufsbild der Berufsschullehrkraft zu begeistern, Studienplätze und Weiterbildungsmöglichkeiten bereitzustellen und – wie bereits dargestellt – durch attraktive Arbeitsbedingungen zu überzeugen. Richtig ist, dass der Fachkräftemangel in diesem Lehrkräftesegment sehr groß ist. Gleichzeitig bestehen gerade in der Berufsschule besonders große Chancen durch die Einbeziehung von fachlich qualifizierten Quereinsteigern ohne pädagogischen Abschluss. Gerade – aber nicht nur – in den Beruflichen Schulen kann die Unterrichtung durch eine nicht vollständig pädagogisch ausgebildete Lehrkraft mit entsprechender fachlicher Qualifikation für den Schulbetrieb sehr bereichernd sein. In der Vermittlung der berufspraktischen Kenntnisse und Fähigkeiten – gerade in handwerklichen Berufen – können diese Kräfte eine hervorragende Ergänzung des Lehrkräfteangebots darstellen und im Sinne der jungen Schülerinnen und Schüler eine bestmögliche und praxisgerechte Ausbildung sicherstellen. Vorbereitende wie auch begleitende Fortbildungsangebote zur Vermittlung der nötigen pädagogischen Kompetenzen gehören selbstverständlich dazu. Hessen hat bereits etablierte Wege für den „Quereinstieg“ von Lehrkräften geschaffen. In bestimmten beruflichen Fachrichtungen besteht ein erhöhter Bedarf im hessischen Schuldienst, da nicht auf ausreichend viele ausgebildete Lehrkräfte zurückgegriffen werden kann. Das Hessische Lehrkräftebildungsgesetz (HLbG) bietet deshalb die Möglichkeit zu einem berufsbegleitenden Quereinstieg in den hessischen Schuldienst. Wir haben hierbei eine Praxis etabliert, die für jeden Bewerber individuell Qualifizierungsauflagen hinsichtlich der fachlichen und pädagogischen Kompetenzen erarbeitet, um in einer begleiteten Qualifizierungsphase die rechtlichen Voraussetzungen und praktischen Kompetenzen für die dauerhafte Lehrtätigkeit zu erlangen. Um individuellen Erfordernissen gerecht zu werden, erfolgt auch die berufsbegleitende Eingruppierung im Einzelfall. Wer eine einem Lehramt gleichgestellte Qualifikation im Rahmen der berufsbegleitenden Qualifizierung erwirbt, erlangt zugleich auch die dem Lehramt an beruflichen Schulen entsprechende Befähigung für die Laufbahn des höheren Dienstes. Auch die sonstigen Maßnahmen zur Weiterqualifikation und zum Quereinstieg in den Lehrämtern mit besonderen Bedarfen - insbesondere auch im Lehramt für berufliche Schulen – werden wir künftig bedarfsgerecht ausbauen und dabei Wert auf Qualität legen.

Wir brauchen dringend mehr junge Menschen, die ein Lehramtsstudium aufnehmen und abschließen. Gerade weil wir einen enormen Bedarf an Fachkräften für den Beruf der Erzieher:in haben, wollen wir in Hessen einen Studiengang für das Lehramt für berufliche Schulen mit Fach Sozialpädagogik einrichten. Vertretungslehrkräften wollen wir eine Perspektive zu bieten. Um den Lehrermangel kurzfristig zu reduzieren, werden wir den berufsbegleitenden qualifizierenden Quereinstieg massiv ausbauen. Außerdem schlagen wir vor, die Studienkapazitäten der Lehrämter zu steigern und ein Hessen-Stipendium für Berufe mit dauerhaftem Fachkräftemangel einführen (z.B. Landärzt:innen, Lehrer:innen). Daneben werden wir Rechtsanspruch auf das Masterstudium nach dem BA-Erwerb einführen.

Im Bereich des beruflichen Lehramts besteht die besondere Herausforderung, dass insbesondere in technischen Bereichen die Verdienst- und Aufstiegsperspektiven als Lehrkraft mit denen in der freien Wirtschaft kaum mithalten können. Mit einem Anwärtersonderzuschlag für Mangelfachrichtungen im beruflichen Lehramt (Metalltechnik, Elektrotechnik, Chemie-, Biologie- und Physiktechnik, Gesundheit, Sozialwesen/Sozialpädagogik und Informatik) unternehmen wir deswegen bereits Anstrengungen, die Wettbewerbsfähigkeit des Berufsschuldienstes gegenüber Tätigkeiten in der freien Wirtschaft im Werben um Fachkräfte zu stärken. Zudem können Personen mit einem Hochschulabschluss, aus dem eine der Fachrichtungen Metall, Elektro oder Informatik und das Fach Mathematik oder Informatik abgeleitet werden kann, und fünf Jahren Berufserfahrung mit einem berufsbegleitenden Quereinstiegsprogramm eine dem Lehramt an beruflichen Schulen gleich gestellte Qualifikation erwerben. Die ausbildenden Universitäten in Hessen haben sich zudem im Rahmen der Zielvereinbarungen zum Hessischen Hochschulpakt 2021-2025 auf Maßnahmen zur Erhöhung der Studienerfolgsquote, insbesondere in natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen selbstverpflichtet. Wir haben in den vergangenen Jahren also bereits verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Versorgung mit Lehrkräften, die über ein Lehramt an Beruflichen Schulen verfügen, zu erhöhen. Wir GRÜNEN werden uns auch weiterhin dafür einsetzen und wollen u.a. bei Quereinsteiger*innen in den Lehrkräfteberuf zukünftig auch auf Qualifizierung durch berufsbegleitende Masterstudiengänge setzen.

Der Lehrkräftemangel ist gerade an beruflichen Schulen eine große Herausforderung. Auch hier gilt: Quereinstiegsprogramme sollten weiter ausgebaut und durch mehr Flexibilisierung für unterschiedliche Personengruppen attraktiver gemacht werden. Die Anzahl der Studienplätze muss bedarfsgerecht angepasst werden.

Die Linke Hessen möchte die Attraktivität des Berufsschullehrkräfteberufs stärken, um mehr junge Menschen für ein solches Lehramtsstudium zu interessieren. Dazu gehören bessere Arbeitsbedingungen und auch eine bessere Bezahlung. Wohl aber sind wir uns darüber bewusst, dass die Berufsschulen auf alle dort Unterrichtenden angewiesen sind. Ihnen sollte, unabhängig vom Lehramt, ein gutes und weit gefächertes Weiterbildungsangebot angeboten und ermöglicht werden.


2. Halten Sie die bisherigen Vorgaben und Rahmenpläne zum Übergang von der Schule in den Beruf für ausreichend? Welche Schwerpunkte wollen Sie in diesem Bereich setzen?

Die berufliche Orientierung der Schüler hat für uns dabei eine zentrale Bedeutung. Sie ist die Grundlage, um dem steigenden Fachkräftebedarf wirksam zu begegnen. Jugendliche sollen am Ende ihrer schulischen Laufbahn in der Lage sein, eine ihren individuellen Kompetenzen und Begabungen entsprechende, fundierte Berufs- oder Studienwahlentscheidung zu treffen. Wir als CDU Hessen bekennen uns zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung und einer erfolgreichen Berufsorientierung. Wirtschaft, Wohlstand und Fachkräftesicherung brauchen handwerklich begabte Schulabgängerinnen und Schulabgänger ebenso wie jene, die eine universitäre Ausbildung anstreben. Dazu gehört auch, den Schülern sowie ihren Eltern vor Augen zu führen, dass alle schulischen Abschlüsse vielfältige Chancen für ein erfüllendes Berufsleben eröffnen. Das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung ist hierbei ein Garant dafür, dass Hessen eine im internationalen Vergleich sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit aufweist. Damit jeder Jugendliche seine beruflichen Chancen nutzen kann, haben wir die berufliche Orientierung in den vergangenen Jahren in allen Bildungsgängen gestärkt. Und wir werden die Berufliche Bildung, beginnend bei der Berufsorientierung bis hin zur dualen Ausbildung an Berufsschulen auch künftig weiter stärken und setzen dafür unter anderem folgende Maßnahmen um:

• Wir bekennen uns zum praxisnahen Konzept der Mittelstufenschule mit einem Schwerpunkt auf dem ländlichen Raum und wollen sie als Schulform durch eine besondere Mittelzuweisung und den Ausbau von Kooperationen mit Betrieben explizit fördern.

• Der „Schulversuch Berufsfachschule“ zum Übergang in Ausbildung soll flächendeckend ausgeweitet werden. Damit werden Schüler ohne Abschluss angesprochen, um sie zur Ausbildungsreife zu führen. • Die Initiative „Deine Zukunft #REAL:DIGITAL“ als neues Informations- und Mitmachangebot zur beruflichen Orientierung an Schulen weiten wir auf weitere Berufsfelder aus.

• Unsere bestehenden Ausbildungsförderprogramme wollen wir fortführen und an die neuen Bedingungen des Arbeitsmarktes anpassen.

• Die Verbundausbildung, die besondere Ausbildungsplatzförderung für Hauptschülerinnen und Hauptschüler und das Förderprogramm für Abbrecher, Altbewerber und Jugendliche mit erhöhtem Sprachförderbedarf haben sich als wichtige Beiträge zur Fach- und Arbeitskraftgewinnung etabliert und sind auch wichtige Instrumente zur Vermittlung in den von Menschen in den Arbeitsmarkt.

Weiterführende Vollzeitschulformen bieten Anschlussmöglichkeiten an alle allgemeinen Bildungsgänge und Abschlüsse und ermöglichen neben berufsbezogener Qualifizierung weitere Schulabschlüsse. Wir werden die Bildungsgänge so gestalten, dass allen Jugendlichen nach Abschluss der allgemeinen Schule weitere SPD Landesverband Hessen Bildungswege und Schulabschlüsse möglich sind, um ihre individuellen Bedingungen im Übergang von der Schule in Ausbildung zu verbessern. Ein besonderer Stellenwert kommt hier dem produktionsorientierten Lernen zu, diese Ansätze werden wir stärken, indem wir die an beruflichen Schulen bestehenden Produktionsschulen sichern und weiterentwickeln. Fachoberschulen und berufliche Gymnasien bieten für Jugendliche, die frühzeitig berufsbezogene Schwerpunkte wählen, eine Alternative zu den gymnasialen Oberstufen. Die Angebote beruflicher Gymnasien werden wir ausbauen.

Mit der Berufsfachschule zum Übergang in Ausbildung (BÜA) haben wir begonnen, das Übergangssystem zwischen Schule und Beruf neu zu strukturieren. Unserer Einschätzung nach – und das spiegeln uns auch zahlreiche Rückmeldungen aus den Berufsschulen selbst wider – weist das Konzept grundsätzlich in die richtige Richtung. Gleichwohl erreichen uns Hinweise, dass die in dieser Legislaturperiode vorgenommenen Modifikationen im Zuge der Verlängerung des Modellprojekts, bspw. was das Erwerben von Schulabschlüssen anbelangt, weniger gewinnbringend sind als erhofft. Insofern werden wir überprüfen, ob sich das Angebot von BÜA zukünftig wieder stärker auf das eigentliche Ziel – die Vermittlung in Ausbildungsverhältnisse durch Maßnahmen der Berufsorientierung und -vorbereitung – konzentrieren sollte. Darüber hinaus wollen wir prüfen, inwiefern die Unterstützung der Schüler*innen durch sozialpädagogische Fachkräfte auch nach der Vermittlung in ein Ausbildungsverhältnis für einen gewissen Zeitraum fortgeführt werden kann, um eine erfolgreiche Eingewöhnung in das Berufsleben zu fördern.

Wir Freie Demokraten wollen die Berufsorientierung und -beratung in allen Bildungsgängen intensivieren, damit die Quote derer, die eine Ausbildung bzw. ein Studium abbrechen, möglichst gering ist. Sie sollte praxisorientiert und in Kooperation mit außerschulischen Partnern in Wirtschaft und Verwaltung gestaltet und fest in der schulischen Biografie verankert werden. Berufsorientierung und -beratung müssen rechtzeitig über Ausbildungsmöglichkeiten informieren und diese auch ausprobieren lassen. Auch die Vernetzung der allgemeinbildenden mit den beruflichen Schulen sollte in diesem Zusammenhang verbessert werden. Da immer mehr Eltern höhere Bildungsabschlüsse für ihre Kinder anstreben, sind diese frühzeitig einzubeziehen und auf Anschlussmöglichkeiten hinzuweisen. Dabei soll die Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher (Aus)Bildung betont werden. Um mehr Einblicke ins Berufsleben zu ermöglichen, wollen wir die Anzahl der Praktika erhöhen und insbesondere freiwillige Zusatzpraktika z. B. zwischen Notenschluss und Schuljahresende erleichtern. Den Ansatz des Schulversuchs BüA halten wir grundsätzlich für richtig, wollen das Projekt jedoch evaluieren und weiterentwickeln.

Die Linke Hessen weiß um das hohe Engagement der hessischen Lehrkräfte. Trotzdem fordern wir eine intensivere und frühere berufliche Orientierung in allen Schulformen sowie die Beibehaltung und den Ausbau von Übergangsmaßnahmen. Nach wie vor bedauern wir sehr, dass das Land Hessen sich gegen die Weiterführung von BerEb entschieden hat; ein Modellprojekt dieser Art gibt es leider nicht noch einmal, da hier auch junge Menschen noch nach dem Übergang in Ausbildung/ Beruf/ praktikum begleitet wurden. Wir fordern den Ausbau von BÜA, hier müssen zusätzliche Stellen geschaffen und besetzt werden.


3. Was werden Sie tun, um den Personalschlüssel in den Kindertageseinrichtungen und die Arbeitsbedingungen in den Kitas zu verbessern?


4. Unter dem Arbeitstitel „zukunftsfähige Berufsschule“ soll die berufliche Bildung in Hessen umgestaltet werden. Wie beurteilen Sie die Situation der Berufsschulen und wie soll aus Ihrer Sicht die berufliche Bildung gestärkt werden?

Die Stärkung der beruflichen Bildung, der Berufsorientierung und der dualen Ausbildung ist ein sehr wichtiges Anliegen der CDU Hessen. Dazu gehört für uns die Sicherung und Stärkung aller Berufsschulstandorte, vor allem auch im ländlichen Raum, sowie das Fortbestehen aller Ausbildungsberufe in Hessen. Das Konzept „Zukunftsfähige Berufsschule“ soll genau dies erwirken. Wir als CDU Hessen sind überzeugt von dem Konzept „Zukunftsfähige Berufsschule” und werden dies fortführen und umsetzen, damit alle Berufsschulstandorte erhalten bleiben und die duale Ausbildung und der ländliche Raum gestärkt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist im ersten Schritt bereits eine deutliche Absenkung der Mindestklassengröße von bisher 15 Schülerinnen und Schülern auf zwölf im ersten, neun im zweiten, acht im dritten und fünf im vierten Ausbildungsjahr erfolgt. Diese Maßnahme ist ein wesentlicher Beitrag zum Ziel des Erhalts der dezentralen Standortstruktur. Zudem werden die nach den Rahmenlehrplänen zulässigen Möglichkeiten einer gemeinsamen Beschulung ausgeschöpft. Die Schulen profitieren bereits seit diesem Haushaltsjahr von der neuen Zuweisung. Erst und nur wenn die reduzierten Mindestklassengrößen vor Ort nicht mehr erreicht werden können, erfolgt im Interesse einer fundierten Fachausbildung der Schülerinnen und Schüler eine Konzentration an den regional oder landesweit zuständigen Berufsschulen und die Ausweitung der Blockbeschulung. Das Auslaufen der Beschulung eines Ausbildungsberufs an einem Standort erfolgt erst dann, wenn für die jeweilige Berufsschule mindestens zweimal hintereinander festgestellt worden ist, dass die Schülerzahl in der Grund- oder Fachstufe unter der Mindestklassengröße liegt. Ein Übergangszeitraum stellt zudem sicher, dass ein eventueller Neuaufnahmestopp von Schülerinnen und Schüler erst zum Schuljahr 2025/26 greift. Die bestehenden vereinigungs- und fachübergreifenden Projekte digitaler Kooperationsformen in der dualen Berufsausbildung (Lernortkooperativen) wollen wir unterstützen. Zusätzlich werden wir prüfen, ob an einzelnen Standorten durch Kooperationen mit Nachbarländern gemeinsame, örtlich nähere Ausbildungen realisiert werden können.

Der Versuch der Landesregierung, Berufsschulen unter dem Begriff „zukunftsfähige Berufsschulen“ zu entwickeln, ist aus unserer Sicht gescheitert. Wir werden ein Moratorium für den Prozess verhängen. Wir setzen auf einen Prozess, der auf Partizipation und Transparenz aufbaut. Wir werden gemeinsam mit Schulen, Gewerkschaften, Hauptpersonalrat Schule, Schulträgern, Kammern, Arbeitgeberverbänden und Hochschulen gemeinsam Wege zu modernen Berufsschulen entwickeln, die wirklich zukunftsfähig sind und den realen Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden. Investitionen in Berufliche Schulen und Berufliche Bildung sind ein wichtiger Beitrag zu Chancengleichheit und guter Bildung für alle. Gleichzeitig sind sie Wirtschaftsförderung und Standortpolitik. Wir stehen zu starken regionalen Ausbildungsstandorten. Unsere Maxime ist, dass junge Leute möglichst wohnortsnah ihre Ausbildung durchführen können. Investitionen in Berufliche Schulen sind Grundlage für die Ausbildung von Fachkräften und für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsraumes. Unter dem Stichwort Arbeit 4.0 sehen wir Handlungsbedarf für alle beruflichen Schulen und sorgen für eine geeignete digitale Infrastruktur, neue Lernumgebungen und eine angemessene technische Ausstattung. Neben einem Glasfaseranschluss, W-LAN, Präsentationstechniken und mobilen Endgeräten fördern wir z.B. im KFZ-Bereich autonomes Fahren und Elektromobilität, im Baubereich moderne Gebäudetechnologien, die über Smart Home vernetzt werden, in den holz- und metallverarbeitenden Berufen komplexe digital gesteuerte Fertigungsmaschinen und in den kaufmännischen Berufen komplexe Prozessketten in virtuellen Firmen. Deshalb richten wir geeignete Labore, multifunktionale Werkstätten und flexible Lernumgebungen ein, in denen handlungs- und lernfeldorientierte Bildungsprozesse ermöglicht werden.

Wir halten das Konzept der „Zukunftsfähigen Berufsschule“ in seiner Zielrichtung für den richtigen Impuls, um unsere Berufsschullandschaft und das System der dualen Ausbildung unter den sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark wandelnden Bedingungen entsprechend zukunftsfähig aufzustellen und zu erhalten. Schon seit Jahren sinkt die Zahl der Auszubildenden und damit die Lehrkräftestellenzuweisung an den hessischen Berufsschulen bedauerlicher Weise stark. Dadurch werden immer mehr kleinere Fachklassen in ländlichen Gebieten an Schulen in größeren Städten abgegeben und der Bestand der Berufsschulen in ländlichen Regionen gefährdet. Wir GRÜNEN sind überzeugt, dass es wichtig ist, diesem Trend entgegenzuwirken und wohnort- und betriebsnahe Ausbildungsmöglichkeiten auch im ländlichen Raum zu erhalten, einen qualitativ hochwertigen Unterricht an den beruflichen Schulen auf Dauer zu gewährleisten und Planungssicherheit für Ausbildungsbetriebe und Schulen zu schaffen. Die sukzessive Neuausrichtung und Sicherung aller hessischen Berufsschulstandorte im Rahmen des Programms der „Zukunftsfähigen Berufsschule“ ist deswegen eine gute Nachricht sowohl für die Schulstandorte als auch die lokale Wirtschaft und die Auszubildenden in Hessen. Insbesondere mit der zum Schuljahr 2021/2022 abgesenkten Mindestklassengröße von bisher 15 Auszubildenden je Stufe auf 12 im ersten, 9 im zweiten, 8 im dritten und 5 im vierten Ausbildungsjahr setzen wir ein Zeichen zum Erhalt auch kleinerer Fachklassen im ländlichen Raum. Zudem wird durch die Entwicklung jedes einzelnen Berufsschulstandorts zu einem spezifischen Kompetenzzentrum eine qualitativ hochwertige Lehre und Beschulung in Hessen sichergestellt, falls an anderen Schulen wegen Unterschreitung der Mindestklassengröße keine Neuaufnahmen in dem jeweiligen Ausbildungsberuf mehr möglich ist. Wichtig ist für uns, dass die Festlegung der Zuständigkeitsbereiche in einem breit angelegten Dialogprozess zwischen dem Land, der lokalen Wirtschaft, den Schulträgern und den Berufsschulen und insbesondere den Kollegien sowie der organisierten Vertretung der Schüler*innen sowie Studierenden – und somit allen unmittelbar und mittelbar Betroffenen – erfolgt und damit spezifische Kompetenzen und Spezialisierungen vor Ort berücksichtigt werden. Insbesondere an regionalen und Landesfachklassen wollen wir zudem die Potenziale von Hybrid- und digitalgestütztem Distanzunterricht ausschöpfen, um längere Fahrtwege zu begrenzen. Auch um die Kooperation und Vernetzung zwischen Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben zu stärken, wollen wir die Chancen der Digitalisierung stärker nutzen. Gleichzeitig werden wir auch unsere Anstrengungen fortführen, insgesamt mehr Jugendliche und junge Erwachsene für die berufliche Bildung zu begeistern, denn für uns sind berufliche und akademische Bildung gleichwertig. Aus diesem Grund haben wir bspw. bereits den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte auch ohne Meisterabschluss eingeführt. Dies soll dazu führen, dass sich mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung entscheiden, da sie sich auch damit alle Wege offenhalten. Zudem haben wir die Berufsorientierung durch verbindlichere Vorgaben zur Umsetzung von Aktivitäten durch die allgemeinbildenden Schulen deutlich gestärkt und bspw. festgelegt, dass alle weiterführenden Schulen mindestens eine Kooperation mit einem Unternehmen, einem Betrieb oder einer Hochschule verpflichtend eingehen müssen und an allen allgemeinbildenden Schulen mindestens zwei Betriebspraktika abgeleistet werden müssen. Insbesondere an Gymnasien wollen wir aber die berufliche Orientierung und die Ausbildungsfähigkeit noch weiter stärken, u.a. durch Wahl-Pflicht-Angebote in handwerklichen, gesundheitlichen und anderen berufsorientierten Bereichen und außercurriculare Angebote wie Praktika und Orientierungswochen. Vor allem braucht es aber ein gesamtgesellschaftliches Umdenken zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Deswegen streben wir einen Bildungsgipfel an, in dessen Zentrum die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung und die Durchlässigkeit zwischen beiden Systemen stehen soll.

Wir Freie Demokraten sehen die Herausforderungen denen die beruflichen Schulen durch den Wandel in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt gegenüberstehen. Ziel muss sein, ein dichtes Netz an wohn- und ausbildungsplatznahen Berufsschulen zu erhalten, um die logistischen Hindernisse für Ausbildungswillige gering zu halten. Um Standorte in der Fläche zu sichern, braucht es auch Alternativen zum herkömmlichen Präsenzunterricht. Wir fordern daher ein Konzept für die Berufsschulen, das die Zusammenarbeit der Schulen untereinander verbessert, die schulische Ausbildung flexibilisiert bzw. modularisiert, mehr digitale und hybride Beschulungsmöglichkeiten vorsieht und berufliche Schulen zu einem Anker in der jeweiligen Region ausbaut. Bei der Erarbeitung und Umsetzung müssen alle an der beruflichen Bildung beteiligten Akteure miteinbezogen werden. Um diese Herausforderung nachhaltig bewältigen zu können, halten wir das aktuelle Konzept der "zukunftsfähigen Berufsschule" für nicht ausreichend.

Die Linke Hessen sieht das Projekt „zukunftsfähige Berufsschule“ sehr kritisch, da es die Zusammenlegung von Standorten beinhaltet. Dies bedeutet für bestimmte Ausbildungsberufe, dass das schulische Angebot in der Region ggf. wegfällt. Wir wollen aber alle Standorte erhalten.