Wir arbeiten in der offenen Kinder- und Jugendarbeit im Frankfurter Ostend und möchten einen Einblick in die aktuelle Lage in diesem Bereich in Frankfurt geben. Der Verein „Kinder in der Stadt – KidS Frankfurt e.V“ (KidS) ist durch das Finanzamt Frankfurt als gemeinnütziger Verein und durch die Stadt Frankfurt als freier Träger der Jugendhilfe anerkannt. Zum 1. Januar 2023 sind alle Einrichtungen in die KidS Frankfurt gGmbH übergegangen. Der Verein bleibt alleiniger Gesellschafter der gGmbH. Derzeit betreibt die KidS Frankfurt gGmbH fünf Einrichtungen beziehungsweise Projekte, die man in Horte, Schul-Betreuungsprojekte und offene Kinder- und Jugendeinrichtungen unterteilen kann. Es gibt einen Betriebsrat.
Was ist offene Jugendarbeit?
Unsere Einrichtung arbeitet mit einem offenen Konzept und basiert somit auf Freiwilligkeit. In der Regel können die Kinder und Jugendlichen ohne Anmeldungen während unserer Öffnungszeiten vorbeikommen. Ziel unserer Arbeit ist es, einen weitestgehend zwangsfreien Raum zu bieten, in welchem Kinder und Jugendliche gerne ihre Freizeit verbringen. So können sie selbst entscheiden, wann und mit wem sie kommen, welche unserer Angebote sie nutzen möchten und wie sie ihre Freizeit bei uns verbringen. Besonders beliebt sind verschiedene mediale Angebote, wie eine Playstation 5, ein Computer, verschiedene Tablets oder auch einfach nur das kostenlose WLAN. Außerdem gibt es einen Billardtisch, Tischtennis, einen Tischkicker sowie verschiedene Möglichkeiten, sich kreativ auszuleben, beispielsweise mit Zeichnen oder Musik-Apps auf dem Tablet. Hausaufgabenhilfe und Unterstützung bei Bewerbungen oder anderen beruflichen Fragen gehören ebenfalls zum Angebot.
Der Fokus der Einrichtung liegt auf zwei Angeboten, welche sich an unterschiedliche Altersgruppen richten. Die Gruppe der 11- bis 15-Jährigen kann an vier Tagen in der Woche tagsüber vorbeikommen. Das Angebot für 15- bis 25-Jährige besteht aufgrund mangelnder Finanzierung nur an drei Abenden in der Woche. Je einmal die Woche finden die geschlechterspezifischen Mädchen- sowie Jungentage statt. Diese Angebote richten sich sowohl an die jüngeren als auch an die älteren Besucher:innen, die jüngeren bekommen auch ein warmes Mittagessen. Finanziert wird dies über den pädagogischen Mittagstisch. Dieser ermöglicht es uns, an drei Tagen die Woche ein frisch von unserer Köchin zubereitetes Mittagessen anzubieten. Sowohl das Essen als auch das Küchenpersonal werden von der Stadt Frankfurt finanziert.
Elementarer Bestandteil der offenen Kinder- und Jugendarbeit ist die Beziehungsarbeit. Nur wenn wir es schaffen, unseren Besucher:innen ein Gefühl der Sicherheit und Vertrautheit zu vermitteln, werden sie sich uns gegenüber öffnen, was wiederum die Chancen erhöht, dass uns auch belastende Themen mitgeteilt werden. Außerdem trägt eine gute Beziehungsarbeit dazu bei, die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen besser zu verstehen und darauf aufbauend weitere Hilfs- oder Bildungsangebote zu vermitteln. Da wir oft wenig bis keinen Kontakt mit den Eltern haben, ist es jedoch schwer, mit allen beteiligten Akteuren in Kontakt zu bleiben beziehungsweise diese überhaupt zu kennen. Besonders der Umgang mit potentiellen Fällen der Kindeswohlgefährdung gestaltet sich daher schwierig.
Auch können Jugendzentren zu Diskursräumen werden. Wir beobachten bei unseren Besucher:innen teilweise eine sehr eingeschränkte Sicht auf gesellschaftlich relevante und auch medial präsente Themen. Oftmals kennen sie nur eine Position und sind mit anderen Meinungen nicht vertraut. Die offene Kinder- und Jugendarbeit kann da eine gute Möglichkeit sein, um verschiedene Perspektiven auf relevante Themen, wie beispielsweise den Klimawandel oder den Nahostkonflikt, zu bieten. So können auch komplexe Sachverhalte thematisiert werden. Gerade in konfliktreichen Zeiten erachten wir es als sehr wichtig, jungen Menschen die nötigen Werkzeuge an die Hand zu geben, um politische Vorgänge oder gesellschaftliche Diskurse besser verstehen und nachvollziehen zu können. Die offene Kinder- und Jugendarbeit kann so eine wichtige Rolle in der außerschulischen Bildung spielen. Wir können Themen aufgrund der Beziehungsarbeit und des offenen Kontexts der Einrichtung anders thematisieren als Schulen, in denen Lernen letztlich in einem Zwangskontext stattfindet und meist mit einer Überprüfung des Gelernten einhergeht. Außerdem haben wir einen guten Zugang zu den Jugendlichen und wissen daher durchaus, welche Themen für sie relevant sind. Auch potentielle Gefahren oder Interventionsbedarf können wir erkennen.
Wir werden auch immer wieder mit sehr ernsten Themen konfrontiert. So hat der Großteil unserer Besucher:innen eine Form von Migrationserfahrung, entweder persönlich oder durch die Familie. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, diskriminierende Erfahrungen zu machen. Gleichzeitig äußern sie sich aber auch selbst rassistisch, antisemitisch oder diskriminierend gegenüber anderen marginalisierten Personengruppen. Diese vielfältigen Dimensionen von Diskriminierung sind eine große Herausforderung für die offene Kinder- und Jugendarbeit. Einerseits möchte man die Besucher:innen dabei unterstützen, das Erlebte zu verarbeiten. Andererseits wollen wir sie für ihr eigenes Verhalten sensibilisieren.
Leider können wir viele wichtige Themen nicht richtig bearbeiten, da uns einfach das Geld für weiteres Personal fehlt. Wir arbeiten mit jeweils zwei Stammfachkräften und werden von Praktikant:innen und Honorarkräften unterstützt. Ohne diese Hilfe könnten wir den Regelbetrieb noch weniger aufrechterhalten. Krankheiten seitens des Personals können zu temporären Schließungen führen, Tariferhöhungen können, wenn überhaupt, nur ohne Gewähr mitgegangen werden. Wir sind in vielen Gremien vertreten und sind regelmäßig bei den in Frankfurt organisierten Protesten dabei.
Frankfurter Proteste für eine ausreichende Finanzierung
Seit 2016 wurden die städtischen Budgets für die offene Kinder- und Jugendarbeit in Frankfurt nicht erhöht. Das heißt, die Träger – und damit oft auch die Beschäftigten – haben keinen Inflationsausgleich oder Ähnliches erhalten. Dies führte dazu, dass im Frühjahr 2024 entweder eine signifikante Erhöhung des Budgets um 26 Millionen Euro stattfinden musste oder es drohte die Einstellung eines erheblichen Anteils der Angebote. Konkret müsste in etwa die Hälfte der Jugendzentren in der Stadt geschlossen werden.
Diese dramatische Situation führte dazu, dass die bereits seit mehreren Jahren existierende „AG Protest“ nochmal erheblichen Zulauf bekam. Den Organisator:innen der AG zu Folge vervierfachte sich die Zahl der Plenumsteilnehmer:innen. Dies zeigt ein wachsendes Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, sich zu organisieren. Andererseits wird dadurch deutlich, in welch prekärer Lage sich die offene Kinder- und Jugendarbeit befindet. Es wurde, angeleitet durch den Frankfurter Jugendring, ein Plenumstreffen organisiert, in welchem Protesttage für den 20. und 21. März geplant wurden. Den Auftakt machten Unterschriftensammlungen, für welche an zentralen Orten in Frankfurt kleine Stände aufgebaut wurden, um Flyer zu verteilen. Auf diesen war ein QR-Code abgebildet, welcher zu einer Petition führte, die die angemessene Finanzierung der offenen Kinder- und Jugendarbeit fordert. Hier ging es auch darum, Menschen mit auf den Weg zu geben, was offene Kinder- und Jugendarbeit ist und im Idealfall Menschen dazu zu bewegen, mit uns gemeinsam bei der Kundgebung zu protestieren.
Um die Aufmerksamkeit für die Demo zu erhöhen, gab es auf der Konstablerwache einen Flashmob, welcher sich eines breiten Publikums erfreute. Am Kundgebungstag kamen in etwa 300 Menschen auf dem Römerberg zusammen, um dort gegen die Unterfinanzierung der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu protestieren. Es kamen nicht nur Beschäftigte, auch die Kinder und Jugendlichen aus den Jugendzentren und von Abenteuerspielplätzen äußerten ihren Unmut über die Unterfinanzierung der Einrichtungen. Musikalische Performances rundeten den Protest ab. Der Zeitpunkt der Demonstration war nicht zufällig gewählt: Während draußen lautstark protestiert wurde, tagte im Inneren die Stadtverordnetenversammlung und diskutierte den Haushalt der Stadt. Auch während des Protests wurden Unterschriften für die Petition gesammelt. Viele Leute drumherum nahmen gerne Flyer an und waren interessiert. So konnte den Anliegen der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Frankfurt weiter Gehör verschafft werden. Am 11. Juli hat die Stadtverordnetenversammlung den Haushalt letztendlich verabschiedet und mit diesem die Zuschüsse für die Träger endlich deutlich erhöht. Der Protest hatte Erfolg. Doch sicher wird es auch weiterhin notwendig sein, sich zu organisieren und gute Rahmenbedingungen für die offene Kinder- und Jugendarbeit einzufordern.