Schulen starten unzureichend vorbereitet in das neue Schuljahr

Weiterhin einige Herausforderungen ungelöst

Pressemitteilung 30. August 2021

Nach Einschätzung der GEW Hessen starten die Schulen nur unzureichend vorbereitet in das neue Schuljahr. Anlässlich des ersten Schultags nach den Sommerferien stellte die Vorsitzende der GEW Hessen, Birgit Koch, fest: „Die bereits in den vergangenen Jahren bestehenden Probleme bezüglich des Lehrkräftemangels sind leider nach wie vor nicht gelöst. Bei anderen Herausforderungen, wie der IT-Ausstattung, geht es allenfalls schleppend voran. Noch immer wurden nicht alle Lehrkräfte mit digitalen Leihgeräten ausgestattet.“ Auch wenn sich das alle anders wünschten, sei zu befürchten, dass der Schulbetrieb weiterhin deutlich durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt wird. Die Entscheidung zur Förderung von mobilen Luftfilteranlagen sei zu spät getroffen worden: „Die Landesregierung trägt die Hauptverantwortung dafür, dass die erforderliche Ausstattung der Klassenräume mit Luftfilteranlagen viel zu langsam in die Gänge kommt.“

Der Lehrkräftemangel an den Grundschulen, den berufsbildenden Schulen sowie im Bereich der Förderschulen stellt nach wie vor ein großes Problem für die Schulen dar. Hinzu kommen einzelne Mangelfächer an allen Schulformen. Tony C. Schwarz, stellvertretender Vorsitzender der GEW Hessen, erinnerte daran, dass Hessen die Grundschullehrerinnen und -lehrer nach wie vor schlechterstellt: „Zu diesem Schuljahr folgt das Nachbarland Thüringen weiteren Bundesländern und gleicht die Besoldung an die der anderen Lehrämter an. Wenn die Landesregierung den rund 12.000 Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen weiterhin eine Besoldung nach A13 verweigert, wird Hessen auf dem bundesweiten Arbeitsmarkt noch stärker an Attraktivität verlieren. Nicht besetzte Stellen sind die Folge. Die Behauptung des Kultusministers, der – viel zu spät – erfolgte Ausbau der Studienplätze zeige bereits Wirkung, können wir nicht nachvollziehen.“ So wurde die Zahl der Studienplätze im Grundschullehramt an der Universität Frankfurt erst zum Wintersemester 2017/2018 erhöht. Angesichts einer Regelstudienzeit von sieben Semestern und eines knapp zweijährigen Vorbereitungsdienstes können diese Studierenden ihre Ausbildung frühestens 2023 abschließen. Inzwischen unterrichten rund 5.000 Personen ohne adäquate Qualifikation an den hessischen Schulen, zumeist als befristet eingestellte Vertretungskräfte.

An den Grundschulen erfolgt zu diesem Schuljahr ein schwerer Eingriff in die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte, denn ihnen wird eine verpflichtende „pädagogisch motivierte Fehlerkorrektur“ verordnet. Von nun an sollen ab dem zweiten Halbjahr der ersten Klasse ausdrücklich alle Rechtschreibfehler zwingend korrigiert werden. Birgit Koch bemängelte, dass der Kultusminister damit die Erfahrungen aus der Praxis ebenso ignoriert wie einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse: „Was nützen die vom Ministerium einberufenen Praxisbeiräte, wenn sich der Minister schlussendlich über die Empfehlungen der Praktikerinnen und Praktiker hinwegsetzt? Gut ausgebildete Grundschullehrkräfte wissen selbst am allerbesten, wie für das einzelne Kind ein erfolgreicher Schriftspracherwerb zu gestalten ist.“ Anke Reichardt, Professorin für Schriftspracherwerb an der Universität Halle-Wittenberg, kommt bezüglich des Maßnahmenpakets des Kultusministeriums zu folgender Einschätzung: „Eine undifferenzierte Gesamtkorrektur, die alle Fehler gleich gewichtet, verhindert das Lernen. Die Kinder gewinnen z.B. die Einsicht, dass die Rechtschreibung unsystematisch ist und jedes Wort auswendig gelernt werden muss.“ Im Gegensatz dazu müsste nach Einschätzung der Expertin eine lernförderliche Korrektur danach fragen, „aus welchen Fehlern der Schüler oder die Schülerin zum aktuellen Zeitpunkt etwas lernen kann.“

Die Einschränkungen des Schulbetriebs in den vergangenen Monaten haben bei vielen Schülerinnen und Schülern deutliche Spuren hinterlassen. Hinzu kommen die weggefallenen Angebote im Freizeitbereich sowie im Vereinsleben. Aus diesem Grund ist es nach Auffassung der GEW Hessen unerlässlich, nun mit zusätzlichen schulischen Angeboten und besseren Lernbedingungen entschieden gegenzusteuern. Tony C. Schwarz fordert daher eine rasche und zielgerichtete Umsetzung des Aufholpakets: „Das Land hat großspurig angekündigt, die Mittel aus dem bundesweiten Aufholpaket mit Landesmitteln auf 150 Millionen Euro aufzustocken. Was sich zunächst nach viel Geld anhört, entspricht allerdings nicht mehr als 185 Euro pro Schülerin oder Schüler. Am hilfreichsten für das schulische Lernen sind kleine Lerngruppen und eine intensive individuelle Förderung durch Doppelbesetzung im Unterricht.