Mehr Geld für Schulgebäude

Die Ausgaben der Schulträger für Bau und Instandhaltung

HLZ 9-10/2019: Die Schule beginnt

 

Das neue Schuljahr beginnt: Nicht nur für die neu eingeschulten Kinder, sondern für alle Schülerinnen und Schüler und die Lehrkräfte hängt das Wohlbefinden am Lern- und Arbeitsplatz auch vom Zustand der Gebäude ab. In Hessen sind marode Gebäude im Schulbereich in den vergangenen Jahren immer wieder Thema in den Medien. Nach den jährlich von der KfW-Bank vorgelegten Zahlen beträgt der Investitionsrückstand im Schulbereich deutschlandweit aktuell 42,8 Milliarden Euro. Für einzelne Bundesländer und auch für Hessen gibt es keine entsprechenden Werte. Um einen Eindruck von der Bauinvestitionstätigkeit und den Instandhaltungsausgaben im Schulbereich auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte zu erhalten, hat die GEW Hessen beim Hessischen Statistischen Landesamt eine Sonderauswertung in Auftrag gegeben, die Angaben für die Jahre 1992 bis 2017 enthält. Die Ergebnisse der Auswertung stellten die GEW-Landesvorsitzenden Maike Wiedwald und Birgit Koch gemeinsam mit der GEW-Bundesvorsitzenden Marlis Tepe im Rahmen ihrer „Sommertour“ vor, bei der sie Anfang Juli die Gesamtschule Hegelsberg in Kassel besuchten. Das Gebäude gibt ein trauriges Bild ab: Fenster sind undicht, Deckenplatten herausgefallen, Heizungen defekt, Jalousien stinken nach Schimmel, hier und da regnet es durchs Dach. Dass die Schule jetzt endlich saniert werden soll, ist für Olga Volbracht, Lehrerin an der Schule Hegelsberg, keineswegs selbstverständlich: „Wären wir als Lehrkräfte und Eltern nicht auf die Barrikaden gegangen, hätte sich hier nichts getan.“

Der Bericht der GEW über die Investitionstätigkeit der kommunalen Schulträger fußt auf einer von der GEW in Auftrag gegebenen Sonderauswertung des Statistischen Landesamts. Außerdem waren die Ausgaben zu ermitteln, die aus der kommunalen Haushaltsstatistik herausfallen, wenn Schulbaumaßnahmen in Tochterunternehmen ausgegliedert und vom Statistischen Landesamt nicht erfasst werden. Deshalb hat die GEW Kontakt zu allen 33 Schulträgern in Hessen aufgenommen, um Ausgliederungen und Schulbauten in Form Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP) zu ergänzen.

Die folgenden Schulträger haben oder hatten ihre Schulen in Eigenbetriebe ausgelagert: die Städte Darmstadt und Hanau sowie die Landkreise Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Odenwald, Limburg-Weilburg, Waldeck-Frankenberg und der Werra-Meißner-Kreis. Die Stadt Offenbach hat die Instandhaltung der Schulgebäude schon vor 1992 an einen Eigenbetrieb übertragen. In Form von ÖPP wurde in den folgenden Kreisen und kreisfreien Städten gebaut: Frankfurt, Stadt Offenbach, Landkreis Offenbach, Landkreis Groß-Gerau, Lahn-Dill-Kreis, Vogelsbergkreis und Landkreis Kassel.

Die Landkreise Bergstraße und Darmstadt-Dieburg weigerten sich, die Daten der Eigenbetriebe zu nennen. Der Kreis Waldeck-Frankenberg hat es aus zeitlichen Gründen nicht geschafft, so dass diese nachgereicht werden müssen. Aufgrund der fehlenden Zahlen für Investitionen und Instandhaltung müssen die drei oben genannten Landkreise bei der unten präsentierten Auswertung außen vor bleiben. Immerhin konnten durch die hier erfolgte Untersuchung 23 von 26 kreisfreien Städten bzw. Landkreisen berücksichtigt werden – das entspricht einer Quote von fast 90 Prozent.

Im Gegensatz zu den Eigenbetrieben konnten zu allen ÖPP-Projekten ausführliche Informationen eingeholt werden. Wenn die Investitionsausgaben, wie etwa im Falle des Landkreises Groß-Gerau, nicht bereits in den Investitionsausgaben des Kernhaushalts berücksichtigt waren, dann ist das gesamte im Rahmen des jeweiligen ÖPP-Projektes verausgabte Investitionsvolumen zu den Investitionen der öffentlichen Haushalte hinzuaddiert worden – und zwar auf Basis von Angaben der jeweiligen Städte oder Landkreise in den entsprechenden Jahren der Sanierung oder des Neubaus.

Ein Problem besteht bei der Stadt Frankfurt: Hier wurden mehrere ÖPP-Projekte verwirklicht, wobei mit Ausnahme einer Schule zwei größere „Pakete“ geschnürt wurden. In diesen beiden „Paketen“ sind auch nicht-schulische Bildungseinrichtungen (Volkshochschule, Bibliothek usw.) enthalten, die nicht herausgerechnet werden können. Deshalb enthält die im Folgenden dargestellte Auswertung für Frankfurt zwei Werte (mit und ohne die beiden ÖPP-Pakete).

Die Tabelle enthält die Ergebnisse einer Vergleichsberechnung zu den Investitions- und Instandhaltungsausgaben im Schulbereich auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte in Hessen. Dabei handelt es sich um reale jahresdurchschnittliche Werte je Schülerin und Schüler. Die jährlichen Bauinvestitions- und Instandhaltungsausgaben für die Jahre 1992 bis 2017 und die Zahl der Schülerinnen und Schüler an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen wurden vom Hessischen Statistischen Landesamt zur Verfügung gestellt.

Die Zahlenreihen des Statistischen Landesamtes wurden um die entsprechenden Werte der in Eigenbetriebe ausgegliederten Schulen und um die Investitionsausgaben im Rahmen von ÖPP-Projekten ergänzt, die - wie erwähnt - von der GEW bei den Schulträgern abgefragt wurden. Da die Auswertung hier auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte erfolgt, sind bei den Kreisen auch jene kreisangehörigen Städte enthalten, die Schulträger sind.

Auf Basis dieser Daten konnten die jährlichen Investitions- und Instandhaltungsausgaben pro Schülerin/pro Schüler für die Jahre von 1992 bis 2017 errechnet werden. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurden die Jahreswerte um Preisveränderungen bereinigt und in Preise des Jahres 2010 umgerechnet. Auf dieser Basis ist dann für den genannten Zeitraum ein realer jahresdurchschnittlicher Pro-Kopf-Wert ermittelt worden.

Bei der Auslegung der Zahlen sind Einschränkungen zu machen. Sie sagen nicht unbedingt etwas über den Zustand der Schulgebäude im jeweiligen Kreis bzw. der kreisfreien Stadt aus, auch weil der Gebäudezustand zu Beginn des hier analysierten Zeitraums ganz unterschiedlich ausgefallen sein kann. Zu bedenken ist auch, dass es sich um einen Durchschnittswert handelt, in den alle öffentlichen Schulen eingehen. Auch kann man nicht ohne Weiteres Investitionen und Instandhaltungsaufwendungen addieren. Trotz dieser Einschränkungen lassen sich aus den Daten Schlussfolgerungen ableiten.

Auffällig ist zunächst einmal der vergleichsweise sehr hohe Wert des Hochtaunuskreises und die große Spannweite, die die Werte aufweisen. So hat der Landkreis Hochtaunus pro Jahr und pro Schülerin und Schüler real fünfmal so viel für Investitionen und Instandhaltung seiner Schulgebäude aufgewandt wie das Schlusslicht, die Stadt Kassel. Und auch die Landkreise Main-Taunus und Groß-Gerau weisen immerhin noch einen dreimal so hohen Pro-Kopf-Wert wie die Stadt Kassel auf.

Wenig überraschend ist, dass im hier präsentierten Vergleich mit der Stadt Kassel und dem Schwalm-Eder-Kreis zwei Gebietskörperschaften ganz am Ende gelandet sind, die im vergangenen Jahr aufgrund von einsturzgefährdeten Schulen in den Medien waren.

Die Stadt Frankfurt weist einen vergleichsweise hohen Pro-Kopf-Wert bei den Investitionen und insbesondere bei der Instandhaltung auf. Allerdings dürfte Frankfurt unter den hessischen Städten auch den mit Abstand größten Investitionsrückstand im Schulbereich haben: So ist in der Öffentlichkeit im Jahr 2015 der Betrag von einer Milliarde Euro genannt worden. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Frankfurt stark zunimmt. Außerdem dürfte in Frankfurt im Vergleich zu anderen Kommunen eine große Zahl recht alter Schulgebäude bestehen.

Auch bei vorsichtiger Interpretation der Zahlen sind sie ein deutlicher Hinweis darauf, dass viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Hessen in baulich sehr unterschiedlich guten Schulräumen unterrichtet werden. Damit stellt sich bereits innerhalb eines Bundeslands die Frage nach der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse: Ein im Hochtaunuskreis lebendes Kind dürfte eine sehr viel höhere Chance auf den Besuch einer Schule mit einem guten Gebäude haben als ein Kind in der Stadt Kassel. Ferner muss hinterfragt werden, ob Investitionsförderprogramme für die Kommunen nicht gezielter ausgerichtet werden müssten. Vorrangig muss es darum gehen, die ausgeprägten regionalen Disparitäten zu überwinden.

Der hohe bestehende Investitionsstau, den das KfW-Kommunalpanel jährlich für den Schulbereich ausweist, legt zudem eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen nahe.

Kai Eicker-Wolf


Bildunterschrift

Kai Eicker-Wolf (GEW) bei der Vorstellung der GEW-Studie zu den Schulbauinvestitionen der Schulträger (Foto: Martin Leissl)

Durchschnittliche reale Bauinvestitionsausgaben und  Instandhaltungsausgaben im Schulbereich

pro Schülerin und Schüler und Jahr (1992-2017)

Landkreis (LK)bzw. kreisfreie Stadt

Bau-

investitionen in Euro

Instandhaltung in Euro

Summe pro Schülerin und Schüler in Euro

LK Darmstadt-Dieburg

Antwort verweigert

LK Bergstraße

Antwort verweigert

LK Waldeck-Frankenberg

Antwort konnte nicht rechtzeitig zusammengestellt werden (wird nachgereicht)

Kassel

171

75

246

Vogelsbergkreis

289

69

358

Schwalm-Eder-Kreis

275

139

414

LK Hersfeld-

Rotenburg

298

118

415

LK Gießen

343

73

417

Wetteraukreis

335

103

438

LK Fulda

298

155

453

Darmstadt

376

84

460

Main-Kinzig-Kreis

382

106

488

LK Limburg-Weilburg

414

86

501

LK Marburg-

Biedenkopf

420

91

511

Odenwaldkreis

414

113

527

Stadt Offenbach

528

7 (1)

535

Wiesbaden

404

156

561

Werra-Meißner-Kreis

463

106

569

LK Offenbach

428

162

590

Lahn-Dill-Kreis

446

156

601

LK Kassel

563

73

635

Rheingau-

Taunus-Kreis

480

195

675

Frankfurt

460 (540)

293

753 (833)

LK Groß-Gerau

642

163

805

Main-Taunus-Kreis

663

204

867

Hochtaunuskreis

1136

163

1299

Durchschnitt

445

126

570

(1) Die Stadt Offenbach hat die Instandhaltung der Schulen ab 1992 weitgehend in den Eigenbetrieb Gebäudemanagement GmbH ausgegliedert. Die Zahlen sind nur für die letzten Jahre verfügbar. Sie  wurden deshalb nicht berücksichtigt und fallen damit zu niedrig aus.

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt (Sonderauswertung), Angaben der Schulträger, eigene Berechnung der GEW Hessen

Angegeben sind die durchschnittlichen Jahreswerte, real in Preisen von 2010; Abweichungen bei der Summe sind rundungsbedingt; Details zu den Berechnungsmethoden und zur regionalen Struktur des Gebäudemanagements bzw. zur Auslagerung in Eigenbetriebe findet man in Heft 4 der „Finanzpolitischen Arbeitspapiere der GEW Hessen“: www.gew-hessen.de/fileadmin/user_upload/themen/finanzpol_arbeitspapiere/arbeitspapier_nr4_bauinvestitionen.pdf

 

 


(1) Die Stadt Offenbach hat die Instandhaltung der Schulen ab 1992 weitgehend in den Eigenbetrieb Gebäudemanagement GmbH ausgegliedert. Die Zahlen sind nur für die letzten Jahre verfügbar. Sie  wurden deshalb nicht berücksichtigt und fallen damit zu niedrig aus.
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt (Sonderauswertung), Angaben der Schulträger, eigene Berechnung der GEW Hessen
Angegeben sind die durchschnittlichen Jahreswerte, real in Preisen von 2010; Abweichungen bei der Summe sind rundungsbedingt; Details zu den Berechnungsmethoden und zur regionalen Struktur des Gebäudemanagements bzw. zur Auslagerung in Eigenbetriebe findet man in Heft 4 der „Finanzpolitischen Arbeitspapiere der GEW Hessen“: www.gew-hessen.de/fileadmin/user_upload/themen/finanzpol_arbeitspapiere/arbeitspapier_nr4_bauinvestitionen.pdf