Hessen setzt auf Quereinstieg

Mit Ein-Fach-Lehrkräften gegen den Mangel? | HLZ 11-2024

Die Landesregierung hat endlich erste Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel auf den Weg gebracht. Kultusminister Armin Schwarz betonte in einer Regierungserklärung, Hessen beweise „Tatkraft“, indem es „neue Wege im Recruiting“ beschreite. Doch was genau ist geplant? Und wird das ausreichen? Der Gesetzentwurf (Drucksache 21/1029) sieht zahlreiche Änderungen des Lehrkräftebildungsgesetzes (HLbG) vor. Ein Großteil davon ist allerdings rein redaktioneller Natur. Das Wesentliche lässt sich so zusammenfassen:

1.    Der Kreis der Personen, die für den Quereinstieg in den Schuldienst (QuiS) in Frage kommen, wird erweitert. Dieser ist nach § 3 Abs. 7 möglich, wenn keine grundständig ausgebildete Lehrkraft zur Verfügung steht. Interessierte müssen über einen Hochschulabschluss (mindestens Bachelor) verfügen sowie bislang über mindestens fünf Jahre Berufserfahrung. Diese Zeitspanne wird auf ein Jahr reduziert. Zudem muss sich nicht länger zwingend ein Unterrichtsfach aus dem Studium ableiten lassen, wenn es sich um einen pädagogischen Abschluss handelt.

2.    Das besondere Zulassungsverfahren zum Vorbereitungsdienst wird mit dem neuen § 36b so geregelt, dass in für den Quereinstieg geöffneten Fächern beziehungsweise beruflichen Fachrichtungen eine Einstellung ausnahmsweise auch erfolgen kann, wenn kein zweites Fach abgeleitet werden kann.

3.    Die Anerkennung von ausländischen Lehramtsabschlüssen ist in § 61 verankert. Obwohl hier nichts geändert wird, profitieren im Ausland ausgebildete Lehrkräfte von der Öffnung des Quereinstiegs. Denn sie können nun ebenso mit nur einem Fach den für sie vorgesehenen „Anpassungslehrgang“ absolvieren, da dieser praktisch dem Vorbereitungsdienst entspricht.

Im Jahr 2023 hat Hessen 80 Personen in QuiS eingestellt. Sie werden direkt mit hoher Stundenzahl im Unterricht eingesetzt und berufsbegleitend weiterqualifiziert. An den berufsbildenden Schulen spielt das Programm schon lange eine wichtige Rolle, hinzugekommen sind die Lehrämter an Grundschulen sowie an Haupt- und Realschulen. Der Quereinstieg in den Vorbereitungsdienst war in Mangelfächern in den Lehrämtern an Haupt- und Realschulen, Gymnasien sowie Beruflichen Schulen möglich. Auf diesem Weg wurden 93 Personen eingestellt (siehe Tabelle). Die alte Landesregierung missinterpretierte diese kleinen Zahlen gerne dahingehend, dass die Versorgung mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften sehr gut sei. Dabei verschwieg sie jedoch, wie viele Vertretungskräfte in befristeten TVH-Verträgen unterrichten, ohne dass sie über eine adäquate Qualifikation verfügen.
 

Interessant ist, dass die Zahl der Bewerbungen für den Quereinstieg deutlich über der Zahl der Einstellungen lag. Nur rund jede vierte Person erhielt ein Einstellungsangebot, wobei es bei den berufsbildenden Schulen zu Doppelzählungen kommen kann. Der Hauptpersonalrat Schule fragte vor diesem Hintergrund nach, woran Einstellungen scheiterten. Der Antwort der Lehrkräfteakademie zufolge spielten unzureichende Hochschulabschlüsse eine Rolle sowie nicht bestandene Eignungsüberprüfungen. Den häufigsten Grund stellte die nicht mögliche Ableitung von Fächern dar. Um eine Deprofessionalisierung zu vermeiden, ist es aus Sicht der GEW richtig, dass Qualifikationen sorgfältig geprüft werden. Da nun die Anforderungen bezüglich der Ableitung von Fächern angepasst werden, ohne das Niveau abzusenken, ist tatsächlich zu erwarten, dass mehr Bewerberinnen und Bewerber eingestellt werden können. Gleichwohl werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Auch bei den Lehrkräften aus dem Ausland besteht Potenzial: Der Referenzberuf Lehrkraft lag 2023 unter allen Anerkennungsverfahren an vierter Stelle. Doch mehr als 500 in Hessen gestellten Anträgen standen nur 13 Einstellungen in einen Anpassungslehrgang gegenüber! Da Lehrkräfte in den meisten Ländern  in nur einem Fach ausgebildet werden, bringt die Neuregelung für viele einen Vorteil.
 

Fazit: Die Änderungen sind grundsätzlich sinnvoll, es wird allerdings auch auf die konkrete Umsetzung ankommen. Darüber hinaus sind Verbesserungen bei der grundständigen Lehrkräfteausbildung nach wie vor erforderlich. Zudem muss die Koalition ihre Ankündigung, eine berufsbegleitende Weiterbildung für vorqualifizierte Vertretungskräfte einzuführen, möglichst bald umsetzen.