Investieren trotz Schuldenbremse

Auch in Hessen sind viele Schulen marode

HLZ März/April 2023

In Deutschland herrscht ein großer Investitionsbedarf – nach Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Höhe von 600 bis 800 Milliarden Euro (1). Dabei entfällt der größte Teil auf die sogenannte sozial-ökologische Transformation. Aber auch die Bildungsinfrastruktur weist einen erheblichen Investitionsstau auf, der sich im Schulbereich laut aktuellem KfW-Kommunalpanel auf deutschlandweit 45,6 Milliarden Euro beläuft (2). Auch in Hessen sind viele Schulen marode.


Eine Finanzierung so großer Investitionssummen wäre auch in einem Zeitraum von zehn Jahren nur auf Basis von höheren Steuereinnahmen oder durch die Aufnahme von Krediten umsetzbar. Aufgrund der Schuldenbremse, die eine Kreditfinanzierung von Investitionen fast komplett untersagt, ist dies allerdings nicht möglich.


Auch wenn die Abschaffung oder zumindest eine Modifikation der Schuldenbremse in der jüngeren Vergangenheit immer stärker befürwortet wird, sind Änderungen an den Regelungen der Schuldenbremse im Grundgesetz in der nächsten Zeit unrealistisch. Auch eine Erhöhung der Steuereinnahmen – so richtig etwa die Wiedererhebung der Vermögensteuer und eine höhere Besteuerung von Unternehmensgewinnen auch wären – ist aufgrund der gegenwärtigen Zusammensetzung der Bundesregierung kurz- bis mittelfristig nicht zu erwarten.


Um trotzdem die dringend erforderlichen Zukunftsinvestitionen in ausreichendem Umfang tätigen zu können, sollten konsequent jene Möglichkeiten genutzt werden, die eine Kreditfinanzierung von öffentlichen Investitionen jenseits der staatlichen Haushalte ermöglichen.


Mit der Frage, ob und auf welchem Weg kreditfinanzierte Investitionen durch den Bund getätigt werden dürfen, hat sich vor gut zwei Jahren eine umfangreiche Studie auseinandergesetzt (3). Danach ist eine solche Kreditaufnahme durch selbständige Einrichtungen des Bundes rechtlich möglich.
 

Investitionsgesellschaften ...

Bei diesen Einrichtungen handelt es sich um juristische Personen des privaten Rechts wie Aktiengesellschaft oder GmbHs oder des öffentlichen Rechts, z.B. in Form von Anstalten des öffentlichen Rechts. Solche Einrichtungen dürfen jedoch nicht nur dem Zweck dienen, finanzielle Mittel weiterzuleiten oder auszugeben, sondern ihnen müssen vielmehr ebenfalls eigene Sachaufgaben zugewiesen werden. Außerdem ist ein Bundesgesetz erforderlich. Besonders geeignet erscheint tatsächlich eine Anstalt des öffentlichen Rechts, da der Gesetzgeber hier im Hinblick auf die nähere Ausgestaltung über eine große Entscheidungsfreiheit verfügt und ein hohes Maß an Transparenz sowie politischer Steuerung und Kontrolle gewährleistet werden kann.


Konkret möglich wäre etwa die Einrichtung einer „Öffentlichen Investitionsgesellschaft Schule“ als Anstalt öffentlichen Rechts durch den Bund, um Mittel für eine flächendeckende und zeitgemäße Instandsetzung aller Schulen in Deutschland bereitzustellen. Die Sachaufgabe einer solchen Gesellschaft, die zusammen mit den Ländern finanzielle Mittel für den Schulbau bereitstellen würde, wäre die Koordinierung, Begleitung und Durchführung der Kooperation. Sie könnte ferner Standards für den Schulbau erarbeiten. Ihre Mittel könnte sie sich als rechtlich selbständige Einrichtung auch aus Krediten beschaffen, eine zukünftige Tilgung der Kredite aus dem Bundeshaushalt ist ebenfalls rechtlich möglich.


Auch auf der Ebene der Bundesländer können die Länderschuldenbremsen so ausgestaltet werden, dass entsprechende Einrichtungen zur Kreditfinanzierung von Investitionen gegründet werden können. Hier ist aber immer die konkrete Umsetzung der Schuldenbremse durch den jeweiligen Landesgesetzgeber relevant. Sowohl die Verankerung der Schuldenbremse in der Hessischen Verfassung als auch das entsprechende Ausführungsgesetz erlauben in Hessen analog zum Bund die Errichtung von Öffentlichen Investitionsgesellschaften mit der Möglichkeit zur Kreditaufnahme. Ein solcher Weg wird inzwischen sogar von der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen positiv gesehen (4).
 

… auch ein Modell für Hessen

Auch in Hessen besteht mithin für das Land die Möglichkeit, eine Öffentliche Investitionsgesellschaft für den Schulbereich einzurichten. Dieser Gesellschaft könnte eine Kreditaufnahme erlaubt werden, auch eine Tilgung dieser Mittel aus dem Landeshaushalt wäre analog zum Bund möglich. Als Sachaufgabe kämen ebenfalls begleitende und koordinierende Funktionen gegenüber den Kommunen in Betracht. Eine weitere Aufgabe könnte die Entwicklung von Kriterien für den Schulbau in Hessen sein, und zwar gemeinsam mit bildungspolitischen Organisationen der Zivilgesellschaft, der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen sowie den Kommunalen Spitzenverbänden.


Aus einem Gutachten des Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes des Landtags Nordrhein-Westfalen (5) geht zudem hervor, dass eine Finanzierung von Schulbauten auch über die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank) möglich wäre. Die WIBank als Förderbank des Landes Hessen könnte den Kommunen auf Basis von Vorgaben durch das entsprechende Gesetz Kredite für Schulbauten gewähren, deren Tilgung einschließlich der Zinszahlungen aus dem Landeshaushalt erfolgt.


Eine solche Regelung wäre im Übrigen kein Novum. So erhalten die Kommunen im Rahmen des Digitalpakts neben den Bundesmitteln Kofinanzierungsdarlehen durch die WIBank, die jeweils zur Hälfte durch das Land getilgt werden. Und auch im Rahmen des kommunalen Entschuldungsprogramms, der so genannten HESSENKASSE, tilgt das Land Hessen Kredite der hessischen Kommunen.


Kai Eicker-Wolf

Kai Eicker-Wolf ist finanzpolitischer Referent der GEW Hessen.

(1) Sebastian Dullien u.a., Transformative Weichenstellungen. Wirtschaftspolitische Herausforderungen 2022. IMK Report 173, Januar 2022.
(2) Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), KfW-Kommunalpanel 2022, Frankfurt 2022.
(3) Georg Hermes, Lukas Vorwerk und Thorsten Beckers: Die Schuldenbremse des Bundes und die Möglichkeit der Kreditfinanzierung von Investitionen. Rechtslage, ökonomische Beurteilung und Handlungsempfehlungen. IM Study Nr. 70, Oktober 2020.
(4) Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im hessischen Landtag: Grün wirkt weiter. Nachhaltige Finanzwirtschaft, Konzepte für Hessen 12, Wiesbaden o. J.
(5) vgl. auch Georg Hermes: Kreditfinanzierte Infrastrukturinvestitionen unter den Bedingungen der Schuldenbremse in Nordrhein-Westfalen, Landtag Nordrhein-Westfalen, 17. Wahlperiode, Information 17/326, Düsseldorf 2021.