Hessischer Rechnungshof greift bei Prüfung der Kitas in die kommunale Selbstverwaltung ein

Kurzgutachten von Professor Joachim Wieland zur Kita-Prüfung des Rechnungshofes | Pressemitteilung

Gegenstand des Gutachtens ist die sich jährlich wiederholende Prüfung der Kitas durch den Hessischen Rechnungshof, die dieser in seinen Kommunalberichten publiziert. Auf Basis seiner Prüfergebnisse, die sich in erster Linie an gesetzlichen Mindeststandards orientieren, empfiehlt der Rechnungshof einem Teil der geprüften Kommunen einen Personalabbau in den Kindertageseinrichtungen.
 

Joachim Wieland kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Hessische Rechnungshof mit seiner Prüfpraxis regelmäßig seine Befugnisse überschreitet und in die kommunale Selbstverwaltung eingreift. Zwar müssten die Kommunen die gesetzlichen Mindeststandards beachten – darüber hinaus stehe es ihnen aber frei zu entscheiden, welche weitere Qualitätsanforderungen sie in ihren Kitas erfüllen möchten. Dem Hessischen Rechnungshof sei es verwehrt, mit den als Prüfkriterium verwendeten Mindeststandards selbst Qualitätsentscheidungen zu treffen, und auf dieser Grundlage dann die Wirtschaftlichkeit des Handelns der kommunalen Träger von Kindertageseinrichtungen infrage zu stellen. Der Hessische Rechnungshof als Einrichtung des Landes, so Wieland, könnte nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung der Qualität der Kinderbetreuung die Wirtschaftlichkeit und Sachgerechtigkeit des Personaleinsatzes durch die örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe verneinen – aber nicht auf Basis von Mindestvorgaben.
 

Der Vorsitzende der GEW Hessen, Thilo Hartmann, wertete das Gutachten als Paukenschlag: „Im Ergebnis stützt das Gutachten die seit Jahren von der GEW vorgebrachte Kritik, dass der Hessische Rechnungshof die Kindertageseinrichtungen nicht gemäß der für ihn geltenden gesetzlichen Vorgaben prüft. Wir fordern den Hessischen Rechnungshof auf, seine bisherige Praxis bei der Ermittlung von ‚Einsparpotenzialen‘ im Bereich der Kinderbetreuung zu unterlassen. Sollte der Hessische Rechnungshof dies nicht tun, dann liefert das Gutachten von Joachim Wieland den hessischen Kommunen und auch den Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen eine stichhaltige Grundlage, um sich gegen unberechtigte Kürzungsvorschläge durch den Hessischen Rechnungshof öffentlich zu wehren.“
 

Ganz unabhängig von der juristischen Bewertung gehen die Kürzungsvorschläge des Hessischen Rechnungshofs im Personalbereich der hessischen Kitas nach Ansicht von Hartmann vollkommen an der Realität vorbei: „Es fehlen Kitaplätze, und die Personalschlüssel entsprechen nicht den Empfehlungen der pädagogischen Forschung. In Hessen werden flächendeckend nicht weniger, sondern deutlich mehr Erzieherinnen und Erzieher benötigt. Hierfür sind gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Entlohnung die Voraussetzung.“
 

Zum Hintergrund

In seinen jährlich erscheinenden Kommunalberichten ermittelt der Hessische Rechnungshof für Kindertageseinrichtungen so genannte Ergebnisverbesserungspotenziale. Als Bezugsgröße für die Personalausstattung der Kindertageseinrichtungen wird vom Rechnungshof der gesetzlich geregelte Mindestbedarf an Fachkräften gewählt, wobei für die mittelbare pädagogische Arbeit und Leitungstätigkeit ein zusätzlicher Fachkräftebedarf von zehn Prozent zu Grunde gelegt wird. Im Ergebnis liegt jedes Jahr eine mehr oder weniger große Zahl der geprüften Kommunen über dem so als Maßstab festgelegten Wert. Auf dieser Grundlage wird dann eine Kürzung beim Kita-Personal vorgeschlagen.
 

Die GEW Hessen hat die Art und Weise der Prüfung durch den Hessischen Rechnungshof regelmäßig kritisiert. Zuletzt ist dies im vergangenen Jahr erfolgt, als der Rechnungshof auf Basis seiner Prüfergebnisse gegenüber der Stadt Frankfurt größere Kitagruppen (25 statt 20 Kinder), die Wiedererhebung von Kitabeiträgen für Kinder zwischen drei und sechs Jahren sowie die Kürzung der Zuschüsse für freie Träger von Kindertageseinrichtungen um etwa die Hälfte ins Gespräch brachte.
 


 

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