Extremismusklausel

Offener Brief der GEW an die Landesregierung und Fraktionen

Politische Bildung stärken! Gegen die Etablierung einer Misstrauenskultur und gegen Gesinnungsüberprüfungen von Institutionen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier,
sehr geehrter Herr Staatsminister Al-Wazir,
sehr geehrter Herr Staatsminister Beuth,

wie Sie wissen, ist die GEW Hessen Mitinitiatorin des „Bündnisses gegen Berufsverbote Hessen“ und tritt für die Rehabilitierung der Opfer des sogenannten Radikalenerlasses ein. Vor diesem Hintergrund fordert die GEW Hessen Sie eindringlich auf, Ihr Vorhaben zurückzuziehen, die Vergabe von Landesmitteln des Projekts „Hessen aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ ab Januar 2018 erneut an das Bekenntnis der Träger zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ sowie darüberhinausgehend noch verschärfend an die Zustimmung zu einer Sicherheitsüberprüfung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihrer Einstellung bzw. bei „begründetem Anlass“ zu binden.

Obwohl die Folgen der Regelanfragen aus dem sogenannten Radikalenerlass für die Demokratieentwicklung und die betroffenen Kolleginnen und Kollegen in Deutschland immer noch nicht überwunden sind, streben Sie nun erneut und höchst einseitig die Überprüfung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Trägern der politischen Bildung an, die sich tagtäglich für die demokratische Fortentwicklung unserer Gesellschaft einsetzen. Statt denjenigen Menschen den Rücken zu stärken, die sich schon jetzt unter widrigen Umständen täglich mühen, dem zunehmenden lautstarken rechten und lügnerischen Mob die Grundwerte eines friedlichen demokratischen Zusammenlebens entgegenzustellen, setzen Sie sie einem ungeheuerlichen Generalverdacht aus.
Was veranlasst Sie, in dieser Weise gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Volkshochschulen Universitäten, gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen oder Bildungsträgern wie der Anne-Frank-Bildungsstätte vorzugehen?
Welchen Anlass haben Ihnen die Projektträger gegeben, sie erneut mit einem pauschalen „Extremismus-Vorwurf“ zu überziehen?

Derartige Forderungen wurden bisher von AFD-Vertretern in Brandenburg, Thüringen, Hamburg oder Sachsen-Anhalt in die Debatte eingebracht. Hiermit beabsichtigt die AfD, die Arbeit der Träger der politischen Bildung und deren Förderung zu delegitimieren. Diesem Druck geben Sie jetzt mit Ihrem Vorhaben nach und werden ihn noch verstärken. Halten Sie dieses Vorgehen für die Auseinandersetzung mit rechten Ideologien in Hessen tatsächlich für angebracht und weiterführend?

Weshalb sind Sie bereit so weit zu gehen, diese Regel-Sicherheitsüberprüfung in den Entwurf des neuen Verfassungsschutzgesetzes zu schreiben?

Wen wollen Sie eigentlich mit solchen Maßnahmen schützen: die Demokratie, die Toleranz, die Achtung Andersdenkender?

Warum erheben Sie ausgerechnet jenen Verfassungsschutz, der im Kontext des NSU so kläglich versagt hat, zum Wächter über die Gesinnung der Mitarbeitenden von Bildungs- und Präventionseinrichtungen?
Was veranlasst Sie, mit der Begründung, die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ schützen zu wollen, mit einer generellen Sicherheitsüberprüfung durch den Verfassungsschutz die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte und den Schutzbereich der Beschäftigten zu verletzen?

Nach den Maßgaben des HMdIS wird die zukünftige Mittelvergabe auch an ein „staatliches Neutralitätsgebot“ gebunden werden. Wollen Sie damit eine kritische Auseinandersetzung mit Populismus und rechten Strömungen oder auch die freie kritische Meinungsbildung gegen Parteien wie die AfD unterminieren?

Die freie und plurale Meinungsbildung und -äußerung ist im Kontext der Bildungs- und Präventionsarbeit essenziell. Diese zu unterbinden, ist auch demokratietheoretisch nicht zu vermitteln.
Wir fordern Sie eindringlich auf: Stärken Sie den demokratischen Kräften im Land Hessen den Rücken und ziehen Sie Ihre Misstrauensmaßnahmen und beabsichtigten Gesinnungsüberprüfungen zurück!

Mit freundlichen Grüßen

Birgit Koch und Maike Wiedwald, Vorsitzende

Karola Stötzel und Tony Schwarz, Stellvertretende Vorsitzende/r