Arbeitgeber: Kein Spielraum für Einkommensverbesserungen

Gewerkschaften bekräftigen Fünf-Prozent-Forderung

In der ersten Verhandlungsrunde für die über 50.000 Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Hessen, die am 11. Februar 2011 in Wiesbaden stattfand, legte die Arbeitgeberseite kein Angebot vor.

Keine Annäherung der Positionen

Vielmehr verwies Innenminister Rhein auf den angeblich geringen finanzpolitischen Spielraum. Das Land Hessen müsse sparen, um vom wirtschaftskrisenbedingten hohen Defizit des Jahres 2009 herunterzukommen. Rhein bezifferte das Volumen der Einkommensforderung auf rund 350 Mio. Euro. Dabei sei die von den Gewerkschaften geforderte zeit- und inhaltsgleiche Übertragung der Einkommensverbesserung auf Beamte und Beamtinnen sowie auf Versorgungsempfänger und -empfängerinnen mitgerechnet.

Die GEW, für die Ilse Schaad an den Verhandlungen teilnahm, ver.di und die anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes bekräftigten hingegen ihre Forderungen nach einer Anhebung der Einkommen um 50 Euro plus 3 Prozent für die Beschäftigten des Landes.

Im Durchschnitt bedeutet dies eine Einkommenserhöhung um 5 Prozent. Für die Entgeltgruppe 13 ergibt sich eine durchschnittliche Einkommensverbesserung (Tabellenwerte) von 4,4 Prozent, für die EG 11 (Grundschullehrkräfte) von 4,6 Prozent und für die EG 9 (sozialpädagogische Fachkräfte) von 4,9 Prozent. Bei den unteren Entgeltgruppen liegt das entsprechende Niveau logischerweise über 5%, zum Beispiel bei knapp 5,8 Prozent im Durchschnitt der Entgeltgruppe 2. Dies entspricht dem Wunsch einer Mehrheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder nach einer sozialen Komponente.

Die Gewerkschaften begründeten ihre Forderung mit einer Vielzahl von Argumenten:

Vom Wirtschaftswachstum, das 2010 3,6 Prozent betrug und das auf über 2 Prozent für 2011 prognostiziert wird, müssten auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst profitieren.

Die Steuereinnahmen des Landes verbessern sich nach der Krise unerwartet stark: 2010 konnte das Land 900 Mio. Euro mehr einnehmen als noch im August 2010 erwartet. Die damaligen Planzahlen berücksichtigten bereits die Erfordernisse der so genannten Schuldenbremse.

Um das Wirtschaftswachstum nicht abzuwürgen, ist es dringend erforderlich, dass in Deutschland die Binnennachfrage nachhaltig gestärkt wird.  Das geht aber nur dann, wenn die Beschäftigten mehr Geld in der Tasche haben.

Der öffentliche Dienst droht bei der Tarifentwicklung immer weiter von anderen Sektoren der Wirtschaft abgehängt zu werden, wenn nicht gegengesteuert wird.

Arbeitszeitverkürzung für Lehrkräfte und Beamte_innen

Die Gewerkschaften verlangen zudem die Übertragung der 2009 festgeschriebenen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auf die Beamtinnen und Beamten und eine entsprechende Arbeitszeitverkürzung für die Lehrkräfte.  Innenminister Rhein mochte die Kosten dafür nicht konkret beziffern; sie würden aber ein „exorbitantes Maß“ erreichen. Umgekehrt wird naturgemäß ein Schuh daraus: Seit der „Operation düstere Zukunft“ 2004 werden die Beamten und Lehrkräfte demnach in einem exorbitanten Maß zur Konsolidierung des hessischen Haushalts herangezogen.

Befristungen

Die Einschränkung der Anwendung der gesetzlichen Befristungsmöglichkeiten wird, so verständigten sich beide Seiten, ebenfalls Thema in der nächsten Verhandlungsrunde sein. Das Befristungsunwesen im hessischen Schulbereich ist ein Riesenproblem. Von insgesamt rund 9.000 Arbeitsverhältnissen (Stand Mitte 2009) sind in Hessen etwa 6.500 befristet. Verbesserungen in Bezug auf die Befristungspraxis können aber nur erreicht werden, wenn sich die betroffenen Kolleginnen und Kollegen massiv an den bevorstehenden Aktionen der Gewerkschaften beteiligen.

Hochschulen: Erweiterung des Geltungsbereichs des Tarifvertrages

Die Tarifparteien werden ebenfalls über den Geltungsbereich des TV-Hessen (TV-H) in Hinblick auf wissenschaftliche Hilfskräfte und künstlerische Lehrkräfte an Kunst- und Musikhochschulen sprechen. Beide Gruppen unterliegen bisher nicht den Regelungen des TV-H. Für die knapp 1.000 wissenschaftlichen Hilfskräfte im Land bedeutet das bei einer oftmals mit der Arbeit von Tarifbeschäftigten vergleichbaren Tätigkeit eine deutlich schlechtere Entlohnung.

Aktionen vorbereiten

Der Verhandlungsauftakt in Wiesbaden hat gezeigt, dass es in dieser Tarifrunde nur bedingt um die besseren Argumente geht. Denn diese haben die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren immer wieder vorgetragen.

Die Forderungen der Beschäftigten können vielmehr nur dann durchgesetzt werden, wenn jetzt alle Betroffenen öffentlich Farbe bekennen, sich organisieren und in den nächsten Tagen den Aufrufen der Gewerkschaften zu Aktionen und gegebenenfalls zu Arbeitskampfmaßnahmen, mit denen angesichts des bisherigen Verhandlungsverlaufs gerechnet werden muss, zahlreich Folge leisten.

Am 22. Februar 2011, findet auf Arbeitsebene die nächste Verhandlungsrunde in Wiesbaden statt. Abhängig vom Verlauf werden die Gewerkschaften unmittelbar danach entscheiden, ob sie – dann innerhalb weniger Tage und wahrscheinlich noch Ende Februar – zu einem Warnstreik aufrufen. Der Aufruf geht dann kurzfristig allen betroffenen GEW-Mitgliedern zu.

Ausführliche Tarif-Info