Tarifinfo November 2015

Universitätsleitung weiterhin stur: kein Tarifvertrag für Hilfskräfte

Am 25. November 2015 trafen sich die Gewerkschaften GEW und ver.di erneut mit dem Kanzler der Goethe-Universität Frankfurt, um über Regelungen für die Hilfskräfte zu verhandeln. Die Ausgangslage war seit der Tarifeinigung  im Mai, bei der der prinzipielle Dissens vertagt wurde, klar: Die Unileitung strebt eine Regelung unterhalb des Niveaus eines Tarifvertrages an; die Gewerkschaften streben einen Tarifvertrag an.

In den vorangegangenen Verhandlungsrunden hatte der Arbeitgeber immer argumentiert, dass die materiellen Folgewirkungen des von den Gewerkschaften vorgelegten Vertragsentwurfs für die Universität zu kostspielig seien, zumal man die Bezahlung der Hilfskräfte einseitig für das Jahr 2015 angehoben habe und eine weitere Anhebung Anfang 2016 folge (die allerdings im Wesentlichen aus der Streichung der Jahressonderzahlung ab 2016 finanziert werden wird). Auch habe der Senat im April nur deshalb für tarifvertragliche Regelungen für Hilfskräfte votiert, weil er davon ausgegangen sei, dass ein Tarifvertrag nicht zu höheren Kosten führe.

Um Bewegung in die Verhandlungen zu bekommen, sind die Gewerkschaften nun einen sehr großen Schritt auf die Unileitung zugegangen. Sie haben einen Tarifvertragsentwurf vorgelegt, mit dem genau das in einem Tarifvertrag festgehalten würde, was die Universität bereits heute in ihren Richtlinien und der „Selbstverpflichtung“ aufgeschrieben sowie in weiteren Beschlüssen angekündigt hat. Einziger Zusatzpunkt: Die weitere Entwicklung der Hilfskraft-Entgelte soll sich ab 2017 automatisch an den Entgeltsteigerungen der anderen Beschäftigten an der Goethe-Universität orientieren. Die Uni-Präsidentin, Brigitta Wolff hatte selbst kurz vor der Verhandlungsrunde letzte Woche eine solche dynamische Ankopplung ins Spiel gebracht („FAZ“ vom 24.11.2015). Von daher ist davon auszugehen, dass dieser Punkt inhaltlich zwischen den Tarifvertragsparteien nicht strittig sein dürfte.

Position des Arbeitgebers

Nach wie vor möchte die Unileitung eine Lösung unterhalb der Ebene eines  Tarifvertrages. Ein mit den Gewerkschaften zu vereinbarendes Reglungswerk solle die  „Selbstverpflichtung“ der Uni auf ein verbindlicheres Niveau heben, das auch gewisse Rechtsansprüche der Hilfskräfte umfasse.  Da aber hierzu von der Unileitung bisher keine schriftlichen Eckpunkte vorgelegt worden sind, können wir an dieser Stelle uns nur mit der Begründung des Arbeitgebers befassen, warum ein Tarifvertrag nach seiner Auffassung partout nicht in Frage kommt.

  1. Ein Tarifvertrag führe zu einem zusätzlichen bürokratischen Aufwand ... Das ist teilweise richtig. Ein bürokratischer Mehraufwand für die Fachbereiche ist bei dem vorgelegten Entwurf, der eins zu eins die bisherige Praxis in einen Tarifvertrag überträgt nicht zu erkennen.
    Wie bei allen Tarifverträgen üblich, kann es jedoch auch mal zu juristischen Auseinandersetzungen kommen, wenn die Rechte der Hilfskräfte verletzt werden. Umgekehrt heißt das aber: Wenn andere Lösungen auf der Basis einer Selbstverpflichtungserklärung diese Möglichkeit nicht bieten, dann sind die darin enthaltenen Regelungen für die Betroffenen auch wenig wert. Dies ist genau der Grund, warum die Hilfskräfte sich so stark für Rechtssicherheit einsetzen.
  2. Ein Tarifvertrag schränke für die Universitätsgremien die Möglichkeiten ein, bei Bedarf flexibel die Arbeitsbedingungen der Hilfskräfte an wissenschaftsspezifische Notwendigkeiten anzupassen ... Ja, das ist korrekt. Das ist sogar der Zweck jedweden Tarifvertrages: Der Arbeitgeber soll die wichtigsten Arbeitsbedingungen (soweit das Tarifvertragsgesetz sie einer entsprechenden Regelung zugänglich macht) nicht einseitig und in Gutsherrenmanier abändern können.
  3. Die Universität will in dieser Angelegenheit nicht aus der „Familie der hessischen Hochschulen ausscheren“ (Bettina Wolff), und das Ministerium in Wiesbaden möchte ein solches Ausscheren der Goethe-Universität ebenfalls nicht.
    Alleine: Die Goethe-Universität Frankfurt ist seit 2010 längst aus der „Familie“ ausgeschert, denn sie hat damals als Stiftungsuniversität und als erste hessische Hochschule das Recht eingefordert, Tarifverträge eigenständig verhandeln und abschließen zu können. Wer sich also hier auf „Wiesbaden“ beruft, sagt nichts anderes, als dass es sich bei diesem Recht der Goethe-Universität nur um ein formales handelt und dass es faktisch nicht besteht.

Fassen wir also die Argumente der Goethe-Universität zusammen: Wir wollen keinen Tarifvertrag,  weil der Minister das nicht will.

Die universitätsinternen Abstimmungen zur Frage, wie die Arbeitsbedingungen der Hilfskräfte zukünftig geregelt werden sollen, laufen noch. Insofern bleibt abzuwarten, ob die Universität ihre Selbständigkeit in tarifvertraglichen Angelegenheiten ernst nimmt oder ob die sture Position beibehalten wird, einen Tarifvertrag weiterhin abzulehnen.

Gespräche zum Befristungsunwesen: Universität will keine konkreten Maßnahmen vereinbaren

In der Tarifeinigung vom Frühjahr hatten beide Seiten vereinbart, die Situation der befristet Beschäftigten zu thematisieren. Die Gewerkschaften hatten dabei eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt, wie der Umfang der Befristungen abgebaut und die Arbeitsbedingungen der befristet Beschäftigten verbessert werden könnten. In mehreren Gesprächsrunden wies der Arbeitgeber darauf hin, dass in jüngerer Zeit die Zahl der befristet Beschäftigten an der Goethe-Universität zurückgegangen sei  und dass er – wie angekündigt – weitere Entfristungen plane. Er sei aber nicht bereit, mit uns Vereinbarungen zu diesem Thema abzuschließen. Letztlich müssen nun die Tarifkommissionen entscheiden, ob eine Fortführung der Gespräche in Hinblick auf die Vereinbarung konkreter Maßnahmen noch Sinn macht. Unabhängig davon könnten sich beide Seiten noch darauf verständigen, in einer gemeinsamen Evaluation die Arbeitssituation auch vor allem der befristet Beschäftigten näher zu untersuchen.

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