Unterricht unter „Pandemie-Bedingungen“

Rechtswidrige Weisungen, „nicht geleisteten“ Unterricht nachzuholen

Information der Rechtsstelle

 

Die letzten „corona-bedingten“ Schulhalbjahre haben für viele Lehrkräfte eine besondere Belastung dargestellt. Nicht nur, aber insbesondere in zeitlicher Hinsicht waren sie eine große Herausforderung.

Verstärkt stellen wir fest, dass Schulleitungen trotz komplett unübersichtlicher Situation über die geleistete Arbeitszeit in den letzten Halbjahren Lehrkräfte jetzt anweisen, Stunden „nachzuholen“.

Eine solche Weisung stellt sich in den allermeisten Fällen als rechtswidrig dar.

Hintergrund ist die Tatsache, dass für eine Forderung, Arbeitszeit nachzuholen ein Arbeitszeitkonto die Grundlage sein müsste. Ein solches existiert für Lehrkräfte jedoch nicht. Folglich müssen sie Ihre Arbeitszeit Woche für Woche ableisten. Wenn die Arbeitsleistung der Lehrkräfte seitens des Dienstherrn aus  den unterschiedlichsten (auch aus corona-bedingten!) Gründen nicht in Anspruch genommen wird oder genommen werden kann, „verfällt“ die Verpfichtung zur Arbeitsleistung und muss auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht nachgeholt werden.

Eine Ausnahme gibt es lediglich in § 17 Abs. 4 der Dienstordnung. Danach kann zur Sicherstellung einer sinnvollen Unterrichtsverteilung bei der Festsetzung der Pflichtstundenzahl nach Anhörung der Lehrkraft bis zu zwei Stunden von der Pflichtstundenzahl nach der Pflichtstundenverordnung abgewichen werden. Diese Abweichung ist möglichst im darauffolgenden Halbjahr, spätestens im nächsten Schuljahr auszugleichen.

Lehrkräfte kommen ihren Verpflichtungen gegenüber dem Dienstherrn beziehungsweise dem Arbeitgeber nach, wenn sie ihre Arbeitsleistung „in der Dienstzeit“ zur Verfügung stellen. Da die Pflichtstundenverordnung eine Wochenpflichtstundenzahl definiert, kann dies nach Ansicht der Landesrechtsstelle immer nur wochenweise erfolgen. Können Lehrkräfte in dieser Zeit aus Gründen nicht arbeiten, die der Dienstherr zu verantworten hat, muss dies das Risiko des Dienstherrn sein und nicht der Beschäftigten. Die durch die Corona Pandemie bedingten Umstände an der Schule gelten in dem Kontext nicht etwa als „höhere“ Gewalt, sondern liegen in der „Risikosphäre“ des Dienstherrn beziehungsweise des Arbeitsgebers.

Sprich: Können Lehrkräfte insbesondere im Präsenzunterricht nicht arbeiten, geht das zu Lasten des Arbeitgebers/Dienstherrn, die Lehrkräfte tragen hier nicht die Verantwortung.

Leicht verändert stellt sich die Situation nur bei den Lehrkräfte dar, die bei einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus aufgrund einer vorbestehenden Grunderkrankung oder Immunschwäche dem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs ausgesetzt sind. Diese können sich vom Präsenzunterricht im Klassen- oder Kursverband an den öffentlichen Schulen befreien lassen. Diese Gruppe kann aber ohnehin nicht im Präsenzunterricht arbeiten, sondern muss andere Aufgaben übernehmen. Sollte der Dienstherr hier Arbeitszeitnachweise wollen, müsste er ebenso eine Rechtsgrundlage schaffen. Auch diese ist nicht vorhanden, so dass sich auch bei dieser Personengruppe im Nachhinein nichts mehr „rückfordern“ lässt.

Fest steht: Die Verrechnung von Minusstunden in den darauffolgenden Wochen oder gar Monaten, wie sie vielfach vorgenommen wird, ist eine unzulässige Überschreitung des gesetzlichen Rahmens.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Lehrkräfte ja maximal bei den geleisteten Unterrichtstunden vor Ort in der Schule „in Verzug“ gekommen sind was in den allermeisten Fällen nicht heißt, dass sie weniger gearbeitet hätten. Oft, und gerade unter „Corona Bedingungen“ haben die Lehrkräfte viel mehr gearbeitet als die Pflichtstundenzahl hergibt und ihren außerunterrichtlichen Verpflichtungen entspricht, nur eben nicht im Präsenzunterricht. In dem Kontext mag die Forderung „nicht geleistete“ Pflichtstunden nachzuholen fast schon als höhnisch empfunden werden.

Auch wenn uns „Gegenwind“ entgegenschlägt und behauptet wird, man könne die Pflichtstunden bis zu einem Jahr zurück nachfordern: Diese Regelungen sind in § 61 HBG für die Mehrarbeit aufgestellt und können für nicht „abgerufene“ Unterrichtsstunden nicht angewendet werden.

Beispiele einer unzulässigen Aufforderung, verpassten Unterricht nachzuholen sind:

  • Kein oder nur unzureichender Überblick über geleistete Arbeit aufgrund der Corona-Situation
  • Ausgefallener Fachunterricht beim Praktikum
  • Kolleg*in geht auf Fortbildung und soll ausgefallenen Unterricht nachholen
  • Unterrichtsausfall, weil Schüler*innen auf Klassenfahrt/Wandertag/Studienfahrt sind
  • Unterrichtsausfall in Prüfungswochen
  • Unterrichtsausfall nach dem Ende der Abitur- oder anderer Abschlussprüfungen

Wir empfehlen, den Personalrat einzuschalten und diese Information zur Hand zu nehmen für den Fall, dass Arbeitszeit nachgeholt werden soll die länger als einen Monat zurück gelegen haben soll.