Hektik vor den Sommerferien

Jede Einstellung in den Schuldienst unterliegt der Mitbestimmung

HLZ 7-8/2022: Rechtsanspruch Ganztag?

Im Rahmen der Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 60 HPVG) beraten Schulleitungen und Schulpersonalräte jetzt unter Hochdruck über den personellen Bedarf der Schulen, den Stand der Unterrichtsversorgung, über Ein- und Ausversetzungen und über die geplanten Neueinstellungen. Neueinstellungen erfolgen im Beamtenverhältnisüber das Ranglistenverfahrenoder über eine schulbezogene Ausschreibung bzw. im Angestelltenverhältnis mit einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag im Rahmen des Tarifvertrags Hessen (TV-H).

Jede Einstellung unterliegt der Mitbestimmung des Schulpersonalrats. Nach § 60 Abs. 4 ist der Personalrat über beabsichtigte Maßnahmen rechtzeitig und umfassend zu informieren. Vor der Aufforderung zur Zustimmung ist jede Personalmaßnahme ausführlich zu erörtern. In der Praxis sollte die Schulleitung mit diesen Informationen nicht bis zur nächsten regulären gemeinsamen Sitzung warten, sondern den Personalrat frühzeitig einbeziehen. Diese Beteiligung kann vereinfacht und beschleunigt werden, wenn der Personalrat zu förmlichen oder informellen Vorstellungsgesprächen eingeladen wird und Bewerbungsunterlagen und Informationen zur Person unmittelbar nach dem Eingang weitergegeben werden.

Vertrauensvolle Zusammenarbeit

An vielen Schulen funktioniert das gut, aber leider nicht an allen. Gerade im Trubel der letzten Wochen vor den Sommerferien werden Schulpersonalräte immer wieder Druck gesetzt, dass sie einer Einstellung kurzfristig, am besten „sofort“ zustimmen sollen. An Begründungen zur Rechtfertigung des Zeitdrucks ist kein Mangel: Der Stundenplan müsse vorbereitet werden, man dürfe die Klasse und den Kollegen oder die Kollegin jetzt nicht hängen lassen usw.

Es ist grundsätzlich unzulässig, dass der oder die Vorsitzende des Personalrats eine solche Zustimmung ohne Beschluss des Personalrats abgibt. Er oder sie handelt nach § 30 Abs. 2 im Rahmen der vom Personalrat gefassten Beschlüsse. Personalräte kennen den Zeitdruck, der gerade am Ende des Schuljahres besteht. Sie werden deshalb nichts verzögern, sondern auch kurzfristig für eine Erörterung zur Verfügung stehen. Sie werden auch die Zustimmungsfrist von 14 Tagen meistens nicht ausschöpfen, aber nicht zustimmen, bevor nicht alle Fragen des Personalrats zur Person, zu ihrer Qualifikation, zum Einstellungstermin oder auch zur Besoldungs- oder Entgeltgruppe beantwortet sind. Mit Sicherheit ist es kein Ausdruck vertrauensvoller Zusammenarbeit, wenn sich dabei herausstellt, dass der Zeitdruck nicht objektiv begründet, sondern erst durch eine viel zu späte Einbeziehung des Personalrats entstanden ist.

Die Forderung nach einer schnellen Beratung zur Klärung der offenen Fragen sollte unbedingt dokumentiert werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Auf eine solche Erörterung kann nämlich nach § 69 Abs.1 nur „im beiderseitigen Einvernehmen“ verzichtet werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass sich die Schulleitung nicht später darauf beruft, der Personalrat habe ja „nichts mehr von sich hören lassen“ und damit nach Ablauf von 14 Tagen nach § 69 Abs. 2 Satz 4 durch Nichtäußerung „zugestimmt“.

Ein besonderes Problem stellt sich während der Sommerferien. Der Personalrat sollte sich vor den Ferien informieren lassen, welche Einstellungsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, und mitteilen, wie die Mitglieder des Personalrats digital erreichbar sind. Wenn die Voraussetzungen für eine Zustimmung eindeutig geklärt sind, sind auch „Vorratsbeschlüsse“ möglich, die dann nach Eingang der Zustimmungsaufforderung abgegeben werden können. Auch hier macht der Ton die Musik: Wenn der Zeitdruck nachvollziehbar begründet ist, zum Beispiel durch eine kurzfristige Ausversetzung oder Beurlaubung oder einen nicht vorhersehbaren Ausfall, dann wird auch der Personalrat zügig seinen Verpflichtungen nachkommen. Das Abwarten der Sommerferien, um den Personalrat „vorzuführen“, verlangt dagegen eine klare Antwort.

GEW: Personalräte stärken!

Weitere Informationen zum Mitbestimmungsverfahren, zu den gesetzlichen Abläufen und Fristen, zu den Rechtsvorschriften für die Ablehnung einer Einstellung nach § 77 Abs. 4 und zu dem sich anschließenden Stufenverfahren findet man in dem Ratgeber für Personalräte an Schulen, den die GEW allen Schulpersonalräten vor der Personalratswahl im Mai 2021 zur Verfügung gestellt hat und der auf der Homepage der GEW verfügbar ist.

Der Ratgeber orientiert sich an konkreten Fragen aus dem Alltag von Schulpersonalräten. Weiterführende Sachkapitel befassen sich u.a. mit der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten und der Mitbestimmung bei der Eingruppierung und Einstufung von Tarifbeschäftigten.

Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der neuen Lehrkräfte-Entgeltordnung weist die GEW darauf hin, dass die Mitbestimmung nach § 77 bei Lehrkräften und sozialpädagogischen Beschäftigten im Angestelltenverhältnis – anders als bei Beamtinnen und Beamten – auch die Mitbestimmung bei der Festlegung der Entgeltgruppen und Entgeltstufen des TV-H und des neuen Tarifvertrags EGO-L-H umfasst. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um ein befristetes oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beschränkt sich die Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierungen nicht auf die erstmalige Eingruppierung bei der Einstellung, sondern schließt die Überprüfung einer bestehenden Eingruppierung bei einer wesentlichen Veränderung der Eingruppierungssituation (BVerwG, Beschlussvom 19. 10. 2021 – 5 P 3.20, Rn.14) ein.

Hat der Schulpersonalrat der Einstellung zugestimmt, kann die Arbeit aufgenommen werden. Dazu fertigt das zuständige Staatliche Schulamt einen Vertrag aus, der eine vorläufige Eingruppierung vorsieht. Die Frage der Einstufung und der Anerkennung von beruflichen Erfahrungszeiten in anderen Arbeitsverhältnissen nach § 16 und § 17 des Tarifvertrags Hessen (TV-H) kann möglicherweise zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme noch nicht beantwortet werden. Deshalb wird die Frage der Zustimmung des Personalrats zur Eingruppierung und zur Einstufung von der Zustimmung zur Einstellung, die die Arbeitsaufnahme ermöglicht, abgekoppelt und in einem zweistufigen Verfahren nachgeholt. Der Personalrat sollte dringend nachfragen, wenn eine solche zweite Zustimmungsaufforderung nicht erfolgt. Dies ist für die TV-H-Kraft sehr wichtig, da es um ihren Lohn geht.

Entgeltgruppe und Entgeltstufe

Der TV-H sieht sechs Entgeltstufen vor. In den §§ 16 und 17 des TV-H ist geregelt, wer wann welcher Entgeltstufe zuzuordnen ist. Grundlage des Aufstiegs in den Entgeltstufen ist die Erfahrungszeit innerhalb des Arbeitsverhältnisses. Aber auch Vorerfahrungen aus anderen Beschäftigungsverhältnissen können bei der Einstellung zu einer höheren Entgeltstufe führen. Spielräume gibt es insbesondere bei der Anerkennung von „Zeiten der einschlägigen Berufserfahrungen“ bei einem anderen Arbeitgeber und von Tätigkeiten, die „für die vorgesehene Tätigkeit förderlich“ sind. Für die Interpretation dieser Spielräume gibt es keine hessenweiten oder schulamtsbezogenen Regelungen. Schulpersonalräte, die nur wenige Fälle kennen und kaum Vergleiche ziehen können, sollten deshalb in Zweifelsfällen ihren Gesamtpersonalrat ansprechen. Im Mitgliederbreich der Homepage findet man unter dem Stichwort „Entgelt“ die Erläuterungen zu den Entgeltgruppen und Entgeltstufen. GEW-Mitglieder können bei den Kreisrechtsberatungen, beim GEW-Tarifreferenten Rüdiger Bröhling (rbroehling@gew-hessen.de) oder bei der Landesrechtsstelle nachfragen.

Bei der Festsetzung der Besoldungsgruppen und -stufen der Beamtinnen und Beamten gibt es kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Da nur Lehrkräfte mit einem Lehramt verbeamtet werden können, ist die Besoldungsgruppe je nach Laufbahn klar definiert. Spielräume gibt es bei der Anerkennung berücksichtigungsfähiger Zeiten bei der ersten Stufenfestsetzung (§ 29 Hessisches Besoldungsgesetz). GEW-Mitglieder können sich an die Rechtsberatungen der GEW wenden.
Harald Freiling