Gute Bildung und gute Arbeit

Bildungs- und beschäftigungspolitische Leitlinien der GEW Hessen

HLZ 11/2021: GEW-Landesdelegiertenversammlung

Die GEW Hessen setzt sich auch weiterhin für deutliche Verbesserungen im Bildungssystem ein. Dabei geht es um den Zugang zu hochwertigen Bildungsangeboten von der Kita bis zur Weiterbildung für alle, unabhängig vom sozialen Hintergrund. Dies setzt gute Beschäftigungsbedingungen und die Aufwertung der pädagogischen Professionen in allen Bildungsbereichen voraus, wie sie von der GEW im Rahmen ihrer Tarif- und Besoldungspolitik eingefordert werden. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie sind die massiven Versäumnisse der verantwortlichen Akteure - insbesondere der letzten hessischen Landesregierungen - mehr als deutlich zu Tage getreten: Fachkräftemangel, vielerorts marode Gebäude, mangelhafte Digital-Ausstattung und vieles mehr. Es gilt daher, die von uns entwickelten bildungs- und beschäftigungspolitischen Positionen nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern sie weiter zu schärfen. Wir müssen sie mit noch mehr Nachdruck in die politischen Debatten und in die kommenden Tarif- und Besoldungsrunden einbringen. Hier sollen die wichtigsten Elemente skizziert werden, die jeweils für sich noch weiter auszudifferenzieren sind.

Chancenungleichheit bekämpfen

Die bestehende Chancenungleichheit hat sich, was die Bildungsbeteiligung und den Bildungserfolg anbelangt, durch die Pandemie weiter vergrößert. Kurzfristig muss daher alles dafür getan werden, die besonders benachteiligten Kinder und Jugendlichen gezielt zu fördern. Gleichwohl kann es perspektivisch ein gerechtes Bildungssystem nur im Rahmen eines gemeinsamen Lernens in einer attraktiven Schule für alle geben. Die Mehrgliedrigkeit der Schulstruktur muss überwunden werden, vor allem Kitas und Schulen in einem herausfordernden Umfeld müssen gezielt unterstützt werden.

Für gesunde Räume in Kita, Schule und Hochschule

Kitas, Schulen und Hochschulen sind vielerorts in einem beklagenswerten baulichen Zustand. Wurde die GEW Hessen noch vor einiger Zeit im Hessischen Landtag der Dramatisierung bezichtigt, sind jüngst wiederholt Decken heruntergekommen, ganze Schulen mussten wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Schlecht zu lüftende Räume schaden dem Gesundheitsschutz - nicht nur in pandemischen Zeiten. Darüber hinaus erfordern auch viele pädagogische Methoden sowie der Ganztag bedarfsgerechte Räumlichkeiten. Daher fordern wir nach wie vor eine Bestandsaufnahme des Sanierungsstaus und ein darauf aufbauendes, auf mehrere Jahre ausgelegtes Investitionsprogramm.

Lehrkräftemangel beseitigen

Trotz starker Proteste ist die Landesregierung das Thema Lehrkräftemangel zu spät angegangen, die inzwischen erfolgte Ausweitung der Studienplätze reicht nicht aus. Wir fordern daher einen weiteren Ausbau, so dass die noch immer bestehenden Zulassungsbeschränkungen entfallen. Die Einführung einer Eingangsbesoldung nach A 13 an den Grundschulen muss endlich alleine aufgrund der professionellen Anforderungen erfolgen - aber ohne sie wird Hessen auch den Lehrkräftemangel nicht bewältigen, da immer mehr Grundschullehrerinnen und -lehrer in Bundesländer mit „A13 für alle“ abwandern werden. Der Anteil der befristet beschäftigten Lehrkräfte ist inzwischen auf acht Prozent angestiegen, jede zehnte Unterrichtsstunde wird von einer nicht (voll) ausgebildeten Lehrkraft gehalten. Daher ist ein Qualifizierungsangebot für diese Gruppe dringend erforderlich. Dieses muss zum Erwerb eines Lehramts hinführen und so den Weg in eine Dauerbeschäftigung eröffnen.

Kleinere Lerngruppen und bessere Betreuungsschlüssel

Die Erfahrungen mit dem Wechselunterricht haben aufgezeigt, wie wertvoll die Arbeit in kleinen Lerngruppen ist. Diese verbessern das Lernklima, ermöglichen eine intensive individuelle Förderung und kommen so gerade den Schülerinnen und Schülern zu Gute, die einer besonderen Unterstützung bedürfen. Die Forderung nach dauerhaft verkleinerten Lerngruppen ist daher von höchster Bedeutung, auch um das Ziel der Chancengerechtigkeit zu erreichen. Allerdings kann dies nur gelingen, wenn entsprechend mehr Personal ausgebildet wird und die benötigten Räumlichkeiten geschaffen werden. Auch die Doppelbesetzung ist sinnvoll - nicht zuletzt dann, wenn kleinere Lerngruppen aufgrund fehlender Räumlichkeiten (noch) nicht möglich sind. In den Kitas muss die Fachkraft-Kind-Relation ebenfalls deutlich verbessert werden, an den Hochschulen die Betreuungsrelation.

Rekommunalisierung der Schulreinigung

Der Privatisierungswahn der vergangenen Jahre und die Unterfinanzierung des gesamten öffentlichen Diensts haben in der Corona-Pandemie schwerwiegende Folgen gezeigt. Sie reichen von unterbesetzten Gesundheitsämtern bis hin zu massiven Qualitätsproblemen bei der an private Firmen ausgelagerten Schulreinigung, die zudem mit einer Prekarisierung einhergeht. Wir fordern daher - gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften - ein umfassendes Programm zur Rekommunalisierung. Im Bildungsbereich bezieht sich diese Forderung insbesondere auf die Reinigungsdienste, auf die Kantinen sowie auf die Angebote an ganztägig arbeitenden Schulen.

IT-Infrastruktur verbessern - Fortbildung ausbauen

Die GEW erkennt die Potentiale von digitalen Medien für erfolgreiche Bildungsprozesse, sofern das „Primat der Pädagogik“ ebenso gewährleistet ist wie die Bereitstellung einer leistungsfähigen IT-Infrastruktur. Der Mangel an Konzepten wie auch an Hard- und Software ist in der Pandemie schmerzlich bewusst geworden, trotz DigitalPakt. Daher fordern wir den landesweiten Aufbau einer hochwertigen schulischen IT-Infrastruktur in öffentlicher Hand, zu der auch zwingend die Bereitstellung eines professionellen Supports gehört. Das Hessische Schulportal muss weiter zu einer leistungsfähigen und nutzungsfreundlichen Plattform ausgebaut werden, welche nicht zuletzt ein datenschutzkonformes Videokonferenzsystem umfasst. Das Angebot an attraktiven Fortbildungen, in erster Linie zum fachdidaktisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien in den verschiedenen Fächern und Stufen, ist ebenso erforderlich.

Arbeitszeit reduzieren - Arbeitsbelastung abbauen

Die Frankfurter Arbeitszeit- und Arbeitsbelastungsstudie hat wissenschaftlich belegt, was wir alle aus der Alltagserfahrung wissen: Lehrerinnen, Lehrer und sozialpädagogische Fachkräfte leisten ein hohes Maß an unbezahlten Überstunden und sind höchsten Arbeitsbelastungen ausgesetzt. Die Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst, an den Hochschulen und in der Weiterbildung sind in Teilen anders gelagert, aber auch hier haben wir es mit äußerst problematischen Bedingungen zu tun. Die Reduzierung der Arbeitszeit ist daher in allen pädagogischen Professionen unerlässlich. Bei Lehrkräften muss sich diese in einer deutlichen Reduzierung der Pflichtstundenzahl und einer Erhöhung der Deputate ausdrücken, bei den Hochschulbeschäftigten in einer Absenkung der Lehrverpflichtung. Dies reicht aber nicht aus: Es müssen für die verschiedenen Bildungsbereiche jeweils eigene Maßnahmenbündel entwickelt werden, die an den spezifischen Belastungen ansetzen. An den Hochschulen etwa ist es unerlässlich, auch das Befristungsunwesen zurückzudrängen.

Bildung auskömmlich und gerecht finanzieren

All diese Forderungen kosten Geld. Die benötigten finanziellen Mittel aufzubringen, wäre in einer reichen Gesellschaft wie der deutschen problemlos möglich: Sogar unter den Bedingungen der Krise sind die Vermögen der Superreichen weiterhin exorbitant angewachsen. Der vorhandene, gesellschaftlich geschaffene Reichtum müsste dazu allerdings durch eine angemessene progressive Besteuerung von hohen Einkommen, von Unternehmensgewinnen und Vermögen für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben nutzbar gemacht werden. Die Steuerpolitik der vergangenen Jahre und das Dogma der „schwarzen Null“ unter dem Vorzeichen der so genannten Schuldenbremse lassen jedoch befürchten, dass stattdessen schon in Kürze harte Auseinandersetzungen um die Finanzierung der Kosten der Krise drohen. Neue Sparrunden im öffentlichen Dienst sind zu befürchten. Daher werden wir uns vehement für einen Kurswechsel in der Haushalts- und Steuerpolitik einsetzen. Nur so können die erforderlichen Mittel für ein gutes öffentliches Bildungssystem mit guten Lern- und Arbeitsbedingungen dauerhaft aufgebracht werden.


Die Themen in der Einzelbetrachtung:

GEW unterstützt Klimastreik

Der zweite Tag der Landesdelegiertenversammlung war auch der Tag eines erneuten Globalen Klimastreiks, zu dem Fridays for Future und viele andere Organisationen, darunter auch die GEW, aufgerufen hatten. Die Landesdelegiertenversammlung, die in einem engen zeitlichen Korsett die satzungsmäßigen Aufgaben zur Komplettierung des Geschäftsführenden Vorstands zu erledigen hatte, verabschiedete die Delegation der GEW Hessen zur Teilnahme an der Demonstration in Fulda.

Insbesondere Kolleginnen und Kollegen des Landesstudierendenausschusses und der Jungen GEW ließen sich die Möglichkeit nicht nehmen, die Solidarität der GEW im Kampf gegen die Klimakatastrophe zum Ausdruck zu bringen. Auch die neu gewählte stellvertretende Landesvorsitzende Simone Claar war dabei (auf dem Foto dritte von links).


Berufsverbote: Vor 50 Jahren

Die GEW Hessen beantragt bei der GEW Bund, eine bundesweite Veranstaltung und eine Pressekonferenz zum 50. Jahrestag des sogenannten „Radikalenerlasses“ durchzuführen. Die hessischen Kreisverbände werden aufgefordert, den Erlass und seine Folgen in Mitgliederversammlungen zu thematisieren und nach Möglichkeit Zeitzeuginnen oder Zeitzeugen einzuladen. Der „Radikalenerlass“ vom 28. Januar 1972 führte zur Gesinnungsüberprüfung und zu Berufsverboten für Bewerberinnen und Bewerber und Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die ausschließlich Menschen mit linken Positionen betrafen.


Wann kommt A13/E13 auch für Grundschullehrkräfte in Hessen?

Am 13. und 14. November demonstriert die GEW in Wiesbaden und Kassel und mit zahlreichen lokalen Aktionen für die Forderung nach Angleichung der Einkommen der Grundschullehrkräfte an die ihrer Kolleginnen und Kollegen in allen anderen Lehrämtern. Der 13. November gilt als „erster Tag der unbezahlten Arbeit“: Vom 13. November bis zum 31. Dezember arbeiten die Lehrkräfte an Grundschulen ohne Lohn, wenn man ihr Gehalt mit dem der anderen Lehrämter vergleicht. Heike Ackermann, Grundschullehrerin im Landkreis Kassel, hatte bereits in ihrer Bewerbung für das Amt der stellvertretenden Landesvorsitzenden (HLZ S. 11) deutlich gemacht, dass der Kampf für eine gerechte Bezahlung der Grundschullehrkräfte ganz oben auf ihrer Agenda steht: „Die Arbeit an Grundschulen verdient mehr Anerkennung und endlich A13 und E13 für tarifbeschäftigte Lehrerinnen und Lehrer.“ Seit dem 1.8.2021 hat Thüringen – und damit erstmals ein benachbartes Bundesland - die gleichberechtigte Bezahlung der Grundschullehrkräfte umgesetzt. Bildungsminister Holter bezeichnete die Gleichstellung als „wichtigen Etappensieg bei der Steigerung der Attraktivität des Lehrer:innenberufs“.


GEW Hessen fordert TV-Stud

Mit einer Resolution bestärkte die GEW Hessen die Forderung, im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen auf einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte an hessischen Hochschulen (TV-Stud) hinzuwirken. Da dies möglicherweise nicht im ersten Anlauf gelingen wird, unterstützt die GEW Hessen die TV-Stud-Initiativen auf Bundes- und Landesebene.
GEW-Studierendensprecher Henning Tauche wies darauf hin, dass studentische Hilfskräfte einen wesentlichen Teil der Forschung und Lehre an den Hochschulen stemmen, ob als Tutorinnen und Tutoren in Vorlesungen oder als Hilfskräfte in Bibliotheken: „Dennoch liegen ihre Löhne kaum über dem gesetzlichen Mindestlohn, viele Verträge sind auf nur wenige Monate befristet und unbezahlte Überstunden sind an der Tagesordnung.“


GEW: Die Mitmachgewerkschaft

Zu den satzungsmäßigen Aufgaben einer ordentlichen Landesdelegiertenversammlung der GEW gehört auch die Bestätigung der Vorsitzenden der Fach- und Personengruppen, die auf landesweiten Versammlungen im Vorfeld einer LDV gewählt werden.

Neben der regionalen Gliederung in Schul- und Betriebsgruppen, Kreis- und Bezirksverbände hat die GEW auch eine Struktur zur Gestaltung und Umsetzung der inhaltlichen Schwerpunkte in Fach- und Personengruppen. Während diese rein ehrenamtlich tätigen Gruppen in den Kreisen und Bezirksverbänden sehr unterschiedlich präsent sind, geben sie auf der Landesebene ein vollständiges Abbild der vielfältigen Arbeitsfelder und der spezifischen Interessen der Mitglieder der GEW Hessen.

Die Mitarbeit in den Landesfachgruppen und Landespersonengruppen ist offen für alle Mitglieder – auch zum zunächst unverbindlichen „Reinschnuppern“. Lediglich bei formalen Beschlüssen und Wahlen ist eine Delegation durch die Kreis- und Bezirksverbände erforderlich. Die nächsten Termine kann man bei den Vorsitzenden der Fach- und Personengruppen per Mail erfragen.

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