Karola Stötzel, stellvertretende Vorsitzende, stellte den Delegierten den Antrag des Landesvorstands "Personalräte – das Rückgrat der innerbetrieblichen Demokratie wieder stärken" vor. Nachfolgender Antrag wurde von den Delegierten angenommen.
Zweite Fassung (Beschluss des Landesvorstands vom 7.11.2019) zur Vorlage an die Landesdelegiertenversammlung mit Ergänzungen zum Bereich Bildungsverwaltung und zum Hochschulbereich.
Personalräte – das Rückgrat der innerbetrieblichen Demokratie wieder stärken
Gewerkschaften sind die selbstorganisierte Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten. Ihre praktische Arbeit wird geprägt durch demokratische innergewerkschaftliche Strukturen bei der Wahl von Gremien und der Entwicklung von Positionen und Forderungen.
Zu ihren ersten Aufgaben gehören die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Einkommen, vor allem durch den Abschluss von Tarifverträgen.
Einen zweiten Schwerpunkt bildet die individuelle Hilfe für Beschäftigte bei Schwierigkeiten in Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis.
In einem dritten Kernbereich leisten die Gewerkschaften Unterstützung bei der Gestaltung der innerbetrieblichen Situation am Arbeitsplatz. Dies erfolgt vor allem durch Beteiligung an Betriebs- und Personalratswahlen (gewerkschaftliche Listen) und im Weiteren durch die Begleitung und Beratung der Arbeitnehmervertretungen in ihrer täglichen Arbeit und einen regelmäßigen Austausch.
Mitbestimmungsrechte und das Recht auf eine betriebliche gewählte Vertretung der abhängig Beschäftigten gegenüber ihrem Arbeitgeber oder Dienstherrn, sind Teil eines langwährenden Kampfes der Arbeitnehmerinnen und ihrer Gewerkschaften.
Wie erfolgreich dieser Kampf um gleichberechtigte Mitbestimmung in den Betrieben geführt wurde, kann man an der Hessischen Verfassung erkennen. Die Verfassungsgeberin des Landes Hessen wies den Betriebsvertretungen eine wesentliche Rolle in der Ausgestaltung der betrieblichen demokratischen Willensbildung und bei den sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten echte Mitbestimmungsrechte zu. So heißt es im ersten Hauptteil der Verfassung, „Die Rechte des Menschen“ im Abschnitt III, „Soziale und wirtschaftliche Pflichten und Rechte“ im Artikel 37
„Angestellte, Arbeiter und Beamte in allen Betrieben und Behörden erhalten unter Mitwirkung der Gewerkschaften gemeinsame Betriebsvertretungen, die in allgemeiner, gleicher, freier, geheimer und unmittelbarer Wahl von den Arbeitnehmern zu wählen sind.
Die Betriebsvertretungen sind dazu berufen, im Benehmen mit den Gewerkschaften gleichberechtigt mit den Unternehmern in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Fragen des Betriebes mitzubestimmen.
Das Nähere regelt das Gesetz.“
Die GEW verteidigt diese grundlegende Auffassung einer echten demokratischen Mitbestimmung. Sie stärkt die GEW-Personalräte darin, ihrem demokratischen Auftrag gerecht zu werden und „gleichberechtigt“ und „auf Augenhöhe“ mit den Dienststellenleitungen die Belange der Beschäftigten zu verhandeln. Die GEW organisiert für Personalräte auf allen Ebenen Schulungen und Vernetzungstreffen zu kollegialem Austausch, breite Information und bietet rechtliche Unterstützung durch Expertinnen und Experten an.
Personalräte organisieren die betriebliche Willensbildung in enger Zusammenarbeit mit ihrer Gewerkschaft GEW und ihren Gremien, überwachen die Einhaltung der zugunsten der Beschäftigten und zu ihrem Schutze getroffenen Gesetze, Regelungen, Erlasse und Verordnungen. Sie informieren die Beschäftigten über Maßnahmen und Vorhaben der Dienststellenleitungen. Insbesondere wachen sie über die Einhaltung tarif- und besoldungsrechtlicher Normen. Sie berichten in den Kollegien und Belegschaften über
Tarifauseinandersetzungen und besoldungsrechtliche Entwicklungen und tragen die Forderungen der Beschäftigten für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in die GEW.
GEW-Personalvertretungen verstehen ihre Aufgaben in den Grenzen des Personalvertretungsrechts, jedoch im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen und als Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Dieser regelmäßige kollegiale Austausch ist in allen Regionen für alle Ebenen der GEW-Personalvertretungen von großer Bedeutung. Sie verteidigen die kollektiven und individuellen Interessen und Rechte der Kolleginnen und Kollegen gegenüber den Dienstvorgesetzen. Dies setzt eine der Dienststellenleitung gegenüber zugleich kritische wie auf Ausgleich bedachte Haltung voraus, die transparent in die Belegschaft/Kollegien kommuniziert werden muss.
Aufgrund ihrer herausgehobenen Positionierung benötigen Personalräte die breite Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen. Die GEW organisiert daher nach besten Möglichkeiten eine positive Stimmung für eine hohe Wahlbeteiligung der Kolleginnen und Kollegen in den Dienststellen. Dies soll durch frühzeitige und intensive Wahlwerbung und die persönliche Ansprache der Kolleginnen und Kollegen vor Ort geschehen.
Hohen Respekt nötigen die vielfältigen, zusätzlichen Aufgaben ab, denen Personalräte in den vergangenen Jahren gerecht werden mussten. Trotz denkbar ungünstiger Bedingungen kommen sie mit Kompetenz und Engagement in den verschiedensten Sachgebieten wie Arbeitsrecht, Beamtenrecht, Teilzeit- und Befristungsrecht, Arbeits- und Gesundheitsschutz u. v. m. ihrer Funktion nach. Um den vielfältigen Belangen der Dienststellen und der Beschäftigten gerecht werden zu können, bedarf es dringend einer Überarbeitung des HPVG und einer Stärkung der demokratischen Mitbestimmungsrechte der Personalräte.
Novellierung des HPVG
Trotz des klaren Auftrages der Hess. Verfassung war die Ausgestaltung der Personalvertretungsrechte und der Personalvertretungsgesetze in Hessen stets ein stark umkämpftes Feld gerichtlicher und politischer Auseinandersetzung. So begrenzt das HPVG seit 1988 die Gültigkeit des Artikels 37 Hess. Verfassung auf den Abs. 1.
Insbesondere durch das „Gesetz zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung“ vom 06.07.1999 unter einer CDU/FDP-Koalition ist das HPVG im Hinblick auf Beteiligungsrechte und Arbeitsmöglichkeiten der Personalräte massiv verschlechtert worden. Die GEW fordert zusammen mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und dem DGB die Rücknahme dieser Einschränkungen und die grundsätzliche Rückkehr zum Personalvertretungsrecht in der Fassung vor 1999.
Dazu gehören die Wiederherstellung des Initiativrechtes, die Wiederherstellung von Mitbestimmungstatbeständen im Bereich von organisatorischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, die Mitbestimmung bei der Besetzung von Dienstellenleitungen, die Wiederherstellung des Grundsatzes, dass Beteiligungsrechte grundsätzlich nebeneinander stehen, die Rücknahme der Einschränkung des Letztentscheidungsrechtes der Einigungsstelle sowie die Wiederherstellung der Freistellungsstaffeln. Im § 60 HPVG soll bezüglich der Zusammenarbeit mit der Dienststelle der Begriff „vertrauensvoll“ in den klarstellenden Begriff „gleichberechtigt“ geändert werden.
Die im Jahr 2018 gewählte CDU/Grüne-Landesregierung schreibt in der Koalitionsvereinbarung:
„Wir halten starke Interessenvertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Personalvertretung und Gewerkschaften für wichtige Einrichtungen, um die Interessen der Beschäftigten gegenüber den Dienstherren zu wahren. Wir wollen deshalb das Hessische Personalvertretungsgesetz fortentwickeln und im Dialog mit den Gewerkschaften die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst zeitgemäß ausgestalten.“
An den Forderungen zur Rücknahme der Verschlechterungen, der Einführung von Verbesserungen sowie der Anpassung an neue Anforderungen an das Personalvertretungsrecht hat die GEW zusammen mit den Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes im Rahmen einer Arbeitsgruppe des DGB immer wieder gearbeitet.
Der ausgearbeitete Entwurf für ein fortschrittliches Hessisches Personalvertretungsrecht der SPD, scheiterte im Jahr 2009 vor allem an den Vorbehalten der Kommunen und Landräte, die in vermeintlich starken Beteiligungsrechten einen Hemmschuh in der Entwicklung einer „modernen öffentlichen Verwaltung“ sahen und sehen. Gerade aber vor dem Hintergrund, dass Kommunen unter dem Druck zu geringer finanzieller Mittel der Hauptmotor für die Zusammenlegung oder Ausgliederung von öffentlichen Aufgabenbereichen in z.B. sogenannte Eigenbetriebe oder gemeinnützige GmbHs sind, ist eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte in organisatorischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten aus Sicht der GEW unbedingt geboten. Als jüngstes Beispiel sei hier die arbeitsrechtliche „Zusammenführung“ kommunaler Kita-Beschäftigter einzelner, selbstständiger Gemeinden unter die Leitung des Main-Taunus-Kreises genannt.
Bei Einführung der „Neuen Verwaltungssteuerung“ wurde besonders deutlich, dass das HPVG weder inhaltlich, noch bzgl. der Arbeitsbedingungen der Personalräte dem großen Umbau der Verwaltung und der Arbeitsplätze der Beschäftigten im ÖD genügt.
Im Bereich der Schulen mit ihren knapp 2.000 eigenständigen schulischen Dienststellen bedeutet die Versagung der Mitbestimmung bei der Bestellung von Schulleiterinnen und Schulleitern eine enorme Einschränkung der Mitgestaltung von Schule.
Vorgenanntes gilt auch für die Dienststellen der Bildungsverwaltung bei der Bestellung von Amtsleiterinnen und Amtsleitern.
An den Hochschulen dürfen die Personalräte nicht mehr bei der Einstellung befristet beschäftigter Wissenschaftler mitbestimmen.
Der zunehmenden laxen Praxis der obersten Dienstbehörde, Erlasse und Bekanntmachungen per Mail oder auch nur per Power Point im Lande bekannt zu machen, muss dringend Einhalt geboten werden, da Personalvertretungen hierdurch nur unzureichend in die Lage versetzt werden, die Einhaltung derselben zu kontrollieren und zu überwachen und eine Gleichbehandlung der Lehrkräfte hierdurch unterminiert wird.
Das HPVG war in seinen Anfängen eines der fortschrittlichsten Personalvertretungsgesetze bundesweit, es gab eine sehr starke Annäherung zu der Forderung „Verhandeln auf Augenhöhe“. Heute hängen die Ergebnisse der Personalratsarbeit häufig vom persönlichen Engagement auf der Seite der Dienststelle, von der Intensität der (begleitenden) Aktivitäten der GEW, oft vom Verhandlungsgeschick der Personalräte, von ihrem langen Atem und auch von manchem Gerichtsurteil und nicht mehr von der gesetzlichen Grundlage einer tatsächlich gleichberechtigten Verhandlung zwischen Dienststellenleitung und Personalrat ab.
Nach jahrelangen Bemühungen der GEW sowie etlicher rechtlich anhängender Auseinandersetzungen konnte die GEW 2017 eine „kleine Überarbeitung“ der Bestimmungen des HPVG durchsetzen. Wie in der Betriebsverfassung übernimmt nun der Arbeitgeber als „Verursacher der Maßnahme“ die Kosten der erforderlichen Schulungen der Personalräte.
Dieser Erfolg wird hier als ermutigendes Bespiel genannt, auch im Schulbereich eine verbesserte Entlastung der Schulpersonalräte sowie der Personalräte an den Studienseminaren, zu erreichen. Die Verbesserung bei der Freistellung der Personalräte ist angesichts der wachsenden Aufgabenfülle und -breite der örtlichen Personalräte unerlässlich.
Die GEW fordert für Schulpersonalräte und Personalräte an Studienseminaren die Ermäßigung um 2 Pflichtstunden sowie ein unabhängig von Größe des Personalrates ein um weitere zwei Stunden ermäßigtes Pflichtstundendeputat für den Vorsitz, mit einer entsprechenden Steigerung für größere Schul- und Studienseminarpersonalräte. Vergleichbares soll für die Reduzierung der Lehrverpflichtung für Personalräte an Hochschulen gelten. GPRLL und HPRLL müssen analog der allgemeinen gesetzlichen Regelungen des HPVG entlastet werden.
Eine festgelegte Anrechnung der Tätigkeit in einer Personalvertretung der Bildungsverwaltung auf die Gesamtarbeitszeit von Personalrätinnen und Personalräten ist unerlässlich. Dadurch entfallen belastende Auseinandersetzungen in der einzelnen Dienststelle um das Zeitbudget der Personalvertretungen.
Die GEW wird auf allen Ebenen ihren Einfluss nutzen und den Druck auf die politisch Verantwortlichen verstärken, eine im Interesse der Beschäftigten liegende Stärkung der Mitbestimmung und Weiterentwicklung des HPVG zu erreichen.
Um einen neuen Anlauf in der politischen Auseinandersetzung um eine Stärkung der Rechte der Personalräte zu nehmen, hat die aktuell eingerichtete AG der ÖD-Gewerkschaften beim DGB den bestehenden Forderungskatalog ein weiteres Mal überarbeitet. Wenn ein Konsens im DGB-Bezirk für diese Forderungen hergestellt ist, wird die GEW in einem nächsten Schritt mit den anderen ÖD-Gewerkschaften die Landesregierung zu Verhandlungen zur Novellierung des HPVG auffordern. Dies muss durch Aktivitäten der GEW-Gliederungen und der Personalräte begleitet werden.
Dazu können gehören: Informationen für die Beschäftigten, Resolutionen und Unterschriftenlisten für Personalräte, Personalversammlungen, Schreiben an die regionalen Landtagsabgeordneten aller Parteien mit einer detaillierten Auflistung der sukzessiven Einschränkung der Beteiligungsrechte und ggf. eine Fachtagung.