Personalratsrechte stärken

DGB fordert Novellierung des Personalvertretungsrechts

HLZ 3/2021: Mitbestimmung

Bei einer digitalen Pressekonferenz präsentierten Vertreterinnen und Vertreter des DGB Hessen-Thüringen und der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes GEW, ver.di und GdP ihre Forderungen zur Novellierung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes (HPVG), die der DGB-Bezirksvorstand bereits Ende 2019 beschlossen hatte. Dabei wollen sie die schwarz-grüne Koalition beim Wort nehmen, die in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatte, das HPVG „fortentwickeln und im Dialog mit den Gewerkschaften die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst zeitgemäß ausgestalten“ zu wollen.

Seit den Verschlechterungen für die hessischen Personalräte, die die erste Regierung von Roland Koch (CDU) 1999 im Rahmen ihrer „Beschleunigungsgesetze“ in Kraft gesetzt hatte, kämpfen die DGB-Gewerkschaften dafür, die Bedingungen für die Personalratsarbeit und die wirksame Interessenvertretung in den Dienststellen wieder zu verbessern und an die Veränderungen der Arbeitswelt anzupassen. Die HLZ dokumentiert im Folgenden die wichtigsten Forderungen der DGB-Gewerkschaften und nimmt dabei insbesondere auch die Rechte der Personalräte an Schulen und Hochschulen in den Blick.

§ 60 Abs.1 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes (HPVG) gilt oft auch als „das HPVG in einem Satz“. Der DGB möchte hier, dass dem Wort „vertrauensvoll“ das Wort „gleichberechtigt“ vorangestellt wird. Der ergänzte Wortlaut würde dann noch deutlicher machen, dass Personalräte im Interesse der Beschäftigten auf Augenhöhe mit der Dienststellenleitung verhandeln: 

„Dienststelle und Personalrat arbeiten gleichberechtigt und vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den in den Dienststellen vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben und zum Wohle der Beschäftigten zusammen.

Bei den allgemeinen Aufgaben des Personalrats in § 62 Abs.1 Satz 1 möchte der DGB das ausdrückliche Recht des Personalrats ergänzen, „Maßnahmen, die dem Umweltschutz in der Dienststelle dienen, anzuregen“.

Gerade an Schulen und Hochschulen, deren Leitungen vermehrt auf die „Selbstständigkeit“ ihrer Einrichtungen pochen, wird die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 74 HPVG immer wichtiger. Deshalb soll der Katalog der mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen durch das Wort „insbesondere“ erweitert werden. Die bereits jetzt vorhandene Mitbestimmung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz soll durch die Mitbestimmung bei „Methoden und Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen“ sowie die „Durchführung von Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements“ ergänzt werden. 

Mit dem Vorschlag der Gewerkschaften für einen neuen Absatz 4 in § 74 sollen 1999 gestrichene Mitbestimmungsrechte wiederhergestellt werden, die heute wichtiger sind denn je. Das gilt insbesondere für die Mitbestimmung bei der Einführung der Neuen Verwaltungssteuerung (NVS) und entsprechender neuer Steuerungsverfahren einschließlich der damit zusammenhängenden technischen Verfahren, bei der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden, bei technischen Rationalisierungsmaßnahmen, die den Wegfall von Planstellen oder Stellen zur Folge haben, bei der Vergabe, Verlagerung oder Privatisierung von Arbeiten oder Aufgaben, die bisher durch die Beschäftigten der Dienststelle wahrgenommen werden, sowie bei der Einführung, Anwendung, Änderung oder Erweiterung automatisierter Verfahren zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten. 

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Personalräte, die im Interesse eines einzelnen Beschäftigten oder mehrerer Beschäftigter eine mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahme ablehnen müssen, machen sich dies nicht leicht. Der Gesetzgeber macht es ihnen aber zusätzlich schwer, weil er einen sehr begrenzten Katalog von Ablehnungsgründen benennt. Der DGB fordert jetzt § 77 Abs. 4 zu streichen. Ein Missbrauch ist aus Sicht des DGB nicht zu befürchten, denn „die Rechtsprechung stellt sicher, dass eine Maßnahme nur aus personalvertretungsrechtlich legitimen Gründen abgelehnt werden kann“. 

Für den Schulbereich von besonderer Bedeutung ist die Forderung des DGB, die nach 1999 eingeführte Regelung zu streichen, dass die Stellen der Besoldungsgruppe A 16 und höher sowie die Stellen der „Dienststellenleiter, Amtsleiter und den Amtsleitern vergleichbare Funktionsstellen sowie Leiter von allgemein bildenden und beruflichen Schulen und von Schulen für Erwachsene“ der Mitbestimmung entzogen sind. Der DGB will mit der Streichung der Ausnahmeregelungen „dem Missstand begegnen, dass aktuell weder die Personalräte noch die jeweiligen Stufenvertretungen an der Besetzung von Leitungsstellen beteiligt werden und damit weder die Interessen der Kollegien der Dienststellen noch der Bewerberinnen und Bewerber im Besetzungsverfahren vertreten werden können“.

Der Vorschlag des DGB zur Neufassung von § 69 Abs. 3 Satz 1 soll das Initiativrecht der Personalräte wieder stärken, damit Personalräte ihre Ideen zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen verbindlicher vortragen und zur Entscheidung bringen können:

„Der Personalrat kann in allen sozialen, personellen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Angelegenheiten, die seiner Mitbestimmung unterliegen, Maßnahmen beantragen, die den Beschäftigten der Dienststelle insgesamt, Gruppen von ihnen oder einzelnen Beschäftigten dienen.“

Beschäftigte an Hochschulen

Für die Hochschulen fordert der DGB die Streichung von § 3 Abs. 3 Nr. 2 HPVG. Damit sollen die Personalräte in die Lage versetzt werden, endlich auch die studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte zu vertreten. Dies entspricht einer langjährigen Forderung der GEW. Hilfskräfte stellen in der Regel die größte Personengruppe an Hochschulen dar, haben aber die schwächsten Rechte und keine personalrätliche Vertretung. Außerdem ist auch § 97 Abs. 3 zu streichen, der für die „Einstellung befristet oder auf Zeit zu beschäftigender wissenschaftlicher Mitglieder“ der Hochschule kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats vorsieht, obwohl – so der DGB in seiner Begründung – „gerade diese Gruppe besonders vulnerabel“ ist und „hohen Beratungs - und Vertretungsbedarf“ hat.

Mehr Entlastung für Schulpersonalräte

Generell fordert der DGB „die Überarbeitung und Erweiterung der aktuellen Freistellungsregelungen“, um die Arbeitsfähigkeit der Personalvertretungen angesichts wachsender Aufgaben zu verbessern. Der DGB fordert, die Entlastung der Schulpersonalräte nicht mehr wie bisher in einer Verordnung des Kultusministeriums, sondern wie folgt in § 93 Abs.2 im Gesetz zu regeln:

„In den Fällen des § 40 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 und 2 ermäßigt sich die Pflichtstundenzahl für Mitglieder der Schulpersonalräte und der Personalräte an Studienseminaren um zwei Wochenstunden. Jeder Personalrat erhält unabhängig von seiner Größe ein Stundendeputat von zwei Stunden für den Vorsitz. Besteht der Personalrat aus drei und mehr Mitgliedern, so erhöht sich das Stundendeputat um je eine Stunde für den stellvertretenden Vorsitz und die Schriftführertätigkeit.“

Peter Zeichner, Leiter des Referats Mitbestimmung im GEW-Landesvorstand und Vorsitzender des Hauptpersonalrats der Lehrerinnen und Lehrer, verwies in der Pressekonferenz auf die große Zahl der Dienststellen im Schulbereich. An kleinen Schulen gebe es immer noch die Einpersonen-Personalräte, die dieselbe Vielfalt von Aufgaben zu erledigen haben wie ihre Kolleginnen und Kollegen an großen Schulen mit fünf oder sieben Personalratsmitgliedern: 

„Die Themen reichen vom Beamtenrecht über den Datenschutz bis zur Personal- und Budgetplanung. Das ist von einer Person mit einer einzigen Anrechnungsstunde nicht zu leisten.“ 

Bei einer „zeitgemäßen“ Novellierung des HPVG müsse insbesondere der digitale Wandel in allen Bereichen der öffentlichen Dienstes Berücksichtigung finden:

„Hier müssen die Mitbestimmungsrechte bei allen Fragen der Digitalisierung und des Datenschutzes deutlich gestärkt werden.“ 

Mehr Freistellungen für die Gesamt- und Hauptpersonalräte forderte auch Karin Schäfer als Vorsitzende des Personalrats der Frankfurter Polizei und stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Hessen (GdP): 

„Die Aufgaben und Ansprüche an unsere Arbeit steigen ständig. Das gilt für alle Personalräte des öffentlichen Dienstes – der Druck und die Arbeitsverdichtung sind hoch.“

In den Statements und den Fragen der Presse ging es auch um die Bedeutung und die Rahmenbedingungen der Personalratsarbeit in Zeiten der Pandemie. Tom Winhold (ver.di) forderte, die Regelungen zum Homeoffice in den Katalog der Mitbestimmungstatbestände aufzunehmen und die Briefwahl zu erleichtern. Bei neuen Sachverhalten wie Kurzarbeit, die es vorher im öffentlichen Dienst nicht gab, sei gar keine Beteiligung vorgesehen: „Das muss sich dringend ändern.“

Peter Zeichner berichtete über die Behinderung der Personalratsarbeit im Schulbereich und betonte die Notwendigkeit, „aus der Pandemie zu lernen und den Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Schulen deutlich zu verbessern“. Die Pandemie werde zudem „instrumentalisiert“, um Rechte der Beschäftigten dem notwendigen digitalen Wandel unterzuordnen. Der hessische DGB-Vorsitzende Michael Rudolph erklärte abschließend: 

„Gewählte Personalvertretungen tragen maßgeblich zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und damit auch zur Qualität der Aufgabenerledigung einer Dienststelle bei. Die Relevanz von Personalräten wurde durch die Covid-19-Pandemie nur einmal mehr bestätigt. Wir erwarten nun, dass Schwarz-Grün mit uns in einen konstruktiven Austausch zu den notwendigen Änderungen für moderne, zukunftsgerichtete und partnerschaftliche Mitbestimmung im öffentlichen Dienst in Hessen tritt.“

Dabei besteht im DGB große Einigkeit, dass zur Durchsetzung all dieser Forderungen „neben guten Ideen politischer Druck und Einsatz auf unterschiedlichen Ebenen“ erforderlich ist. Die zunächst verschobenen Personalratswahlen im Mai sind dabei ein gutes Forum, um die Forderungen bekannt zu machen und in den Kollegien zu verankern.

Harald Freiling