Die zunehmende Digitalisierung der Lebenswelt von Kindern ist ins Gerede gekommen, denn seit der Corona-Pandemie ist die Bildschirmzeit explodiert. Während die Digitalindustrie verspricht, dass sie das Lernen individualisieren und nahezu revolutionieren könne, scheint eher das Gegenteil einzutreten: Es mehren sich die Anzeichen für negative Folgen für die Entwicklung, und von verbesserten Leistungen ist nichts zu sehen.
Im vergangenen Jahr haben Fachgesellschaften der Kinder- und Jugendmedizin die Leitlinie „Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in Kindheit und Jugend“ verabschiedet. Sie rekapituliert eine Fülle an wissenschaftlichen Studien, die auf negative gesundheitliche Auswirkungen hinweisen. Entsprechend restriktiv fallen die ausgesprochenen Empfehlungen aus: Kinder unter drei Jahren sollen von jeglicher passiven und aktiven Nutzung ferngehalten werden. Kindern im Alter von sechs bis neun Jahren soll die freizeitliche Nutzung höchstens 30 bis 45 Minuten an einzelnen Tagen gestattet werden. Darüber hinaus werden Eltern dazu angehalten, die Gefahr einer problematischen Nutzung zu beachten und regelmäßig zu reflektieren.
Die Gesellschaft für Bildung und Wissen (GBW) trat im November 2023 mit der Forderung nach einem „Moratorium der Digitalisierung in Kitas und Schulen“ an die Öffentlichkeit. Sie verwies unter anderem darauf, dass mehrere Vorreiterländer in Sachen Digitalisierung inzwischen eine Kehrtwende vollzogen haben. Tatsächlich sollen sowohl in Schweden als auch in Dänemark digitale Medien vor allem aus den jüngeren Jahrgangsstufen wieder zugunsten von analogen Lernmitteln zurückgedrängt werden.
Vor diesem Hintergrund stellte die Fachtagung „Digitalität und kindliche Entwicklung“, welche die GEW Hessen am 29. Februar 2024 durchführte, höchst aktuelle Fragen: Welche pädagogischen Schwerpunkte wollen wir in der Grundschule setzen? Wie beurteilen wir die Chancen und Risiken des digitalen Lernens? Was brauchen Kinder, um gesund und zukunftsfähig aufzuwachsen? Rund 70 Personen waren der Einladung in das Frankfurter DGB-Haus gefolgt.
Prof. Dr. Paula Bleckmann führte mit dem Vortrag „Wie man die Förderung von Medienkompetenz und Gesundheit zusammenbringt – und warum das so schwer ist“ in das Thema ein. Neben einer geballten Ladung an Informationen hatte der Teil, in dem sie in die Rolle einer US-amerikanischen Marketingexpertin schlüpfte, hohen Unterhaltungswert. Dabei legte sie die perfiden Manipulationsstrategien der Digitalindustrie offen. Trotz aller Kritik: Sie sprach sich nicht für ein Zurück zur vermeintlich guten alten Zeit aus. Vielmehr plädierte sie dafür, in Anlehnung an die Nachhaltigkeitsdebatte nach dem „goldenen Rechteck“ zu streben, in dem ein wohldosierter und gezielter Einsatz von analogen und digitalen Medien optimal auf die Zukunft vorbereitet.
Die Gefahren der digitalen Medien schilderte Florian Buschmann eindrücklich. Dabei griff er sowohl auf seine eigenen Erfahrungen – er war über mehrere Jahre mediensüchtig – zurück, als auch auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse. Nun engagiert er sich als Begründer der Initiative „Offline-Helden“ für die Aufklärung und die Prävention. Doch auch er machte klar, dass es nicht nur um Verbote geht. Er warb beispielsweise dafür, dass Eltern auch mal mit ihren Kindern zusammen „zocken“, um so in ein Gespräch auf Augenhöhe zu kommen.
Nachmittags konnten die Teilnehmenden in vier Workshops weitere Aspekte vertiefen: Paula Bleckmann stellte vor, wie digitale Bildung „analog und in Bewegung“ möglich ist. Dr. med. Maria Karathana nahm die Gesundheit und die Entwicklung der Kinder in den Blick. Dr. Sieglinde Jornitz unterwarf die Versprechen von Lernprogrammen wie der Anton-App einer kritischen Überprüfung. Florian Buschmann gab Impulse für die Elternarbeit zum Thema Mediensucht. Abschließend verabschiedeten die Teilnehmenden die untenstehende „freiwillige Selbstverpflichtung“.
Materialien und Aufzeichnungen der Vorträge
Hier finden Sie einige Materialien zu den Vorträgen und Workshops zum Download. Außerdem werden hier in Kürze die aufgenommenen Vorträge von Prof. Dr. Paula Bleckmann und Florian Buschmann veröffentlicht.
Literatur, Links und Zitate zum Vortrag von Prof. Dr. Paula Bleckmann | Aufzeichnung des Vortrages
Workshop Dr. Sieglinde Jornitz
Freiwillige Selbstverpflichtung Druckbogen | Einzeln
Flyer zur Fachtagung mit dem Programm