Uni Kassel: Saubere Sache?

Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften an den Hochschulen | HLZ Juni 2025

Reinigungskräfte sind in der öffentlichen Verwaltung, in Schulen und Hochschulen Tag und Nacht im Einsatz. Manchmal begegnen wir ihnen, häufig verrichten sie ihre Arbeit lange bevor unser Arbeitstag beginnt oder wenn wir längst Feierabend haben. Sie reinigen unsere Toiletten und Büros, putzen die Hörsäle und Klassenzimmer, wischen die Gänge und räumen unseren Müll weg - Tag für Tag.

Die Reinigungskräfte arbeiten häufig viele Jahre oder Jahrzehnte an den gleichen Standorten, an der gleichen Schule, dem gleichen Campus, in derselben Behörde. Nur der Arbeitgeber wechselt regelmäßig – und mit ihm auch die Arbeitsbedingungen. So hat das Land Hessen – wie viele andere Länder auch – zu Beginn der 2000er Jahre die Reinigungsarbeit aus dem öffentlichen Dienst weitestgehend ausgelagert. Seitdem arbeiten die Kolleg:innen nicht mehr für die öffentlichen Einrichtungen, sondern für Fremdfirmen, die sich auf öffentliche wie private Ausschreibungen bewerben. Bundesweit konkurrieren dabei rund 30.000 Firmen mit insgesamt schätzungsweise 700.000 Beschäftigten um diese Aufträge. Die Reinigung öffentlicher Institutionen macht dabei etwa die Hälfte aller Aufträge in der Gebäudereinigungsbranche aus. Der Preiskampf ist enorm und die Fluktuation auf diesem Markt hoch.

Da Personalkosten im Reinigungssektor bis zu 85 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, ist niedriger Lohn der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Dieser Kostendruck wird auf die Reinigungskräfte abgewälzt. Unsere verschmutzten Toiletten müssen so günstig gereinigt werden, dass die öffentlichen Haushalte nicht so stark beansprucht werden und zugleich ausreichend Gewinn für die Firmen abspringt. Wie lässt sich dieses Kunststück vollbringen?
Geschäftsmodell Angst

Das Geheimnis ist Angst, Prekarität und Vulnerabilität: In der Gebäudereinigungsbranche arbeiten vorwiegend Frauen, zahlreiche davon ohne deutschen Pass. Viele von ihnen verfügen über keine oder sehr eingeschränkte Deutschkenntnisse. Damit bestehen sprachlich häufig hohe Hürden, die eigenen Rechte oder den eigenen Arbeitsvertrag zu verstehen.

Noch schwerer wiegt die Abhängigkeit von dem Anstellungsverhältnis. Oftmals verfügen die Reinigungskräfte über keine in Deutschland anerkannten Abschlüsse, hängt ihr Aufenthaltsstatus oder der Zugang zu Sozialleistungen von ihrer Beschäftigung ab. Die damit einhergehende schwache Stellung auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht höchst prekäre Arbeitsbedingungen, mittels derer die gesellschaftliche Vulnerabilität der Beschäftigten vertieft wird und ihnen Rechte verwehrt werden. Günther Wallraff hat unlängst in einer investigativen Recherche das System der Einschüchterung in den Reinigungsfirmen offengelegt. Ein zentrales Instrument der Disziplinierung und Entrechtung der Beschäftigten ist die ewige Schleife der Befristung, die sich im Falle öffentlicher Auftraggeber schon aus den kurzen Vergabezeiträumen und dem wiederkehrenden Firmenwechsel ergibt.

Ein Leben in der Probezeit

Auch an den meisten Universitäten ist die Reinigungsleistung seit vielen Jahren ausgelagert; so auch in Kassel. Hier arbeiten ca. 100 Kolleg:innen dauerbefristet in der Fremdreinigung. Die Ausschreibung der Reinigungsleistung durch die Universität erfolgt in der Regel für 3+1 Jahre. Die meisten Fremdfirmen schließen jedoch nur Arbeitsverträge mit einer Laufzeit von sechs bis achtzehn Monaten ab.

Für die Kolleg:innen bedeutet die Kurzzeitbefristung ein Leben in der Probezeit und damit in ständiger Unsicherheit. Da sie keine Beschäftigten der Universität sind, werden sie nicht durch den Personalrat vertreten. Aufgrund des kurzen Zeithorizonts haben sie aber auch in den Reinigungsbetrieben erschwerte Bedingungen, Betriebsräte zu gründen. Die Kündigungen in der Probezeit oder durch Nicht-Verlängerungen sind rechtlich nicht anfechtbar. In diesem System sind der Willkür der Arbeitgeber kaum Grenzen gesetzt. Mehr Fläche ist in weniger Zeit zu reinigen, Vertretungspersonal gibt es nicht und auch im Krankheitsfall wird voller Einsatz erwartet. Nicht selten geht die Frage nach dem nächsten Arbeitsvertrag mit der Drohung einher, nicht „zu oft“ krank zu werden.

Immer wieder werden Überstunden nicht ausgeglichen, werden Urlaubstage gestrichen, wird Urlaub nicht gewährt oder es werden rechtswidrige Verträge aufgesetzt. So berichten Beschäftigte der Fremdfirmen von Arbeitsverträgen, die anfänglich nur 28 anstelle der vorgeschriebenen 30 Urlaubstage vorgesehen haben. Auch Sechsmonatsverträge sind keine Seltenheit. Sechs Monate, das heißt drei Monate arbeiten, dann wieder arbeitssuchend melden, um im Falle der Nicht-Weiterbeschäftigung nicht vom Arbeitsamt gesperrt zu werden. Wer sich beschwert, fliegt. Bestehende Rechtsansprüche können unter diesen Bedingungen kaum geltend gemacht werden.

Zwar sind die Fremdfirmen zur Einhaltung des Mindestlohntarifvertrags in der Gebäudereinigung verpflichtet, in der Praxis wird dieser aber durch unbezahlte Überstunden und durch die Erhöhung der Reinigungsflächen je Stunde untergraben. So berichten Kolleg:innen, dass auch die aktuellen Firmen an der Universität Kassel die Reinigungsflächen wieder erhöht haben. Eine angemessene Reinigungsleistung ist unter den strengen Zeitvorgaben in der Fremdreinigung nicht zu schaffen.

Wiedereingliederung
als Lösung

Für die Arbeitsbedingungen in den Fremdfirmen sehen sich die Dienststellen nicht in der Verantwortung. Das Vergaberecht sieht nach der hessischen Reinigungsrichtlinie (2022) zwar vor, dass die Reinigungsfirmen erklären müssen, dass „der jeweils geltende Rahmen- und Mindestlohntarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk eingehalten wird“, beschränkt sich ansonsten aber im Wesentlichen auf Fragen der Wirtschaftlichkeit. So sieht sich auch die Kasseler Universitätsleitung nicht in der Verantwortung für die Beschäftigungsbedingungen in den Fremdfirmen und kann auf die Einhaltung geltender Rechtsvorschriften verweisen. Dass diese wenig bis nichts an der prekären Situation der Reinigungskräfte ändern, daran haben die Hochschulleitung und andere Dienststellen natürlich ihren Anteil, da in der Regel der Billigste den Zuschlag bekommt. Letzten Endes könnten aber auch Firmen mit besseren Arbeitsbedingungen nichts an den strukturellen Problemen der Branche ändern, die durch massiven Preisdruck und kurze Auftragszeiträume geprägt ist.

Zur Wiedereingliederung der Reinigungskräfte in die öffentliche Verwaltung und die Universität Kassel besteht daher keine sinnvolle Alternative. Dabei könnte die Hochschulleitung diese schon heute umsetzen. Das Beispiel der Universität Gießen, in der die Reinigung, anders als an den meisten Hochschulen, nicht ausgegliedert ist, zeigt, wie es auch geht – zur großen Zufriedenheit aller Beteiligten. Zwar kann nicht die Rede davon sein, dass es den Kolleg:innen im Falle einer Eingliederung allzu gut erginge. Zu erwarten wäre wohl eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 2. Davon kann man kaum leben und dennoch wäre viel gewonnen: Die Eingliederung würde bedeuten, dass die Reinigungskräfte dauerhaft für die Daueraufgabe der Reinigung an der Universität beschäftigt würden und damit Teil der Hochschulbelegschaft wären. Durch unbefristete Verträge hätten sie Rechts- und Planungssicherheit. Sie würden vom Personalrat vertreten und wären Teil des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes auf Landesebene. Sie wären nicht nur theoretisch, sondern auch faktisch Rechtsträger:innen. Sie würden von Tarifsteigerungen und von Stufenaufstiegen nach Betriebszugehörigkeit profitieren. Es wäre ein Minimum an Würde hergestellt.

Selbstverständlich werden dem immer haushaltspolitische Gründe im Wege stehen. Die Universität Kassel argumentiert seit Jahren mit geringen finanziellen Spielräumen, wie der Personalrat auf Nachfrage mitteilt. Dabei ist fraglich, wie sehr diese Mehrkosten tatsächlich zu Buche schlagen würden, wenn in den Fremdfirmen Bedingungen geschaffen würden, die eine angemessene Reinigungsleistung erlaubten. Für die Universität Kassel lassen sich die Mehrkosten der Wiedereingliederung aktuell in etwa auf 0,5 Prozent des Gesamtbudgets für das Haushaltsjahr 2024 schätzen. 0,5 Prozent für menschenwürdige Arbeitsbedingungen!

Natürlich ließen sich dagegen zuletzt hohe Energiekosten und die Kürzungen bei den Hochschulen durch den hessischen Landeshaushalt ins Feld führen. Aber auch bei bester Haushaltslage lässt sich keine Situation vorstellen, in der die Hochschulleitung von sich aus sagt: „Jetzt haben wir so viel Geld, wir gliedern die Reinigungskräfte wieder ein und schaffen ein Mindestmaß an würdigen Arbeitsbedingungen.“ Es handelt sich hierbei schlicht und ergreifend um haushaltspolitische Prioritäten – und diese können und müssen anders gesetzt werden!

* Der Arbeitskreis Fremdreinigung an der Universität Kassel besteht aus Mitgliedern der Betriebsgruppen von GEW und ver.di sowie weiteren Personen an der Universität.