Ab dem Schuljahr 2026/27 haben Kinder, die dann eingeschult werden, eine Garantie für einen Ganztagsplatz. Dieses Vorhaben hat die große Koalition unter Angela Merkel kurz vor der letzten Bundestagswahl in Gesetzesform gegossen (HLZ S. 8 ff). Umgesetzt werden muss das Ganze in den Bundesländern.
Soll es um mehr gehen als um die schnelle Schaffung von einfachen Betreuungsplätzen, dann ist vor allem gut qualifiziertes pädagogisches Personal erforderlich: Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Schulgesundheitsfachkräfte, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Die GEW fordert – wie die Oppositionsparteien im hessischen Landtag - ein Konzept, das den erforderlichen personellen Mehrbedarf transparent ermittelt und dann vor allem auch Wege aufzeigt, wie dieses Personal gewonnen werden kann.
Einem solchen Vorschlag aber verweigert sich die grün-schwarze Landesregierung, denn dann würden schon jetzt bestehende Probleme in den Fokus rücken. An den Grundschulen in Hessen arbeiten aktuell rund 18.000 Lehrkräfte. Etwa 2.500 dieser Lehrkräfte – das sind fast 14 Prozent – sind befristet beim Land beschäftigt. Sie leisten gute Arbeit, verfügen aber nicht über eine abgeschlossene Ausbildung als Lehrerin oder Lehrer. Deshalb haben sie in der Regel auch keine dauerhafte Perspektive im Beruf. Nach allen Prognosen für die kommenden Jahre ist damit zu rechnen, dass sich dieser eigentlich unhaltbare Zustand weiter verschlechtert.
Mehr qualifizierte Lehrkräfte wären nur zu gewinnen, wenn Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen endlich auch in Hessen nach A 13 bezahlt würden. Zudem müssten sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Den befristet beschäftigten Kolleginnen und Kollegen, die kein Lehramt haben, müssen Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden – allein schon, um sie dauerhaft zu halten.
Bei den Erzieherinnen und Erziehern sieht es nicht anders aus. Sie arbeiten zumeist in den Kitas, in geringerem Umfang auch im Ganztag an Grundschulen und in Förderschulen. Erzieherinnen und Erzieher werden überall händeringend gesucht. Die Presse berichtet regelmäßig, nicht nur in der Pandemie, über eingeschränkte Betreuungszeiten in Kindertageseinrichtungen, weil das Personal fehlt. Fast überall in Hessen entsprechen die Personalschlüssel in den Kitas nicht den pädagogischen Anforderungen. Wie bei den Grundschullehrkräften wird zusätzliches Personal nur durch eine Aufwertung des Berufs zu gewinnen sein!
Konzepte und Anstrengungen, mehr Personal zu gewinnen, sind nicht in Sicht. Um den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für alle Grundschulkinder zu erfüllen, fehlen nicht nur Personen, sondern auch Räume. Die multifunktionale Nutzung der Klassenräume im „Pakt für den Nachmittag“ stellt Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte vor große Probleme. Mittagessen und Nachmittagsbetreuung finden zum Teil in den Klassenräumen statt, Rückzugsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler und das pädagogische Personal fehlen. Für bauliche Maßnahmen im Rahmen des Ganztagsausbaus will die Landesregierung in den kommenden Jahren rund 300 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Angesichts der Baupreisentwicklung und eines Investitionsstaus im Schulbereich, der mindestens zehnmal so hoch liegt, wird dieses Geld nicht ausreichen.
Echte Ganztagsschulen mit einem gebundenen, rhythmisierten Angebot, das Unterricht, Erholung, Bewegung und Betreuungsangebote vernetzt, haben für die hessische Landesregierung keine Priorität. Nur 49 Schulen haben die Möglichkeit, ein solches Profil zu entwickeln. Darunter sind gerade einmal 13 reine Grundschulen. Aber auch jenseits dieser „echten“ Ganztagsschulen wird es nicht gelingen, die Ganztagsgarantie unter akzeptablen Bedingungen umzusetzen, wenn qualifiziertes Bildungs- und Betreuungspersonal für Kinder in den Grundschulen fehlt. Die Landesregierung jedenfalls steckt den Kopf ein weiteres Mal in den Sand.