Die Kampagne #AfDnee

„Hauptleidtragende der AfD-Politik wäre die eigene Wählerschaft“ | HLZ März 2024

 

Philipp Jacks ist Geschäftsführer der DGB Region Frankfurt-Rhein-Main. Das Interview führte Katja Pohl.


Katja Pohl: Du unterstützt mit dem DGB Frankfurt die Initiative #AfDnee. Was ist das Ziel der Kampagne?

Philipp Jacks: Die Kampagne richtet sich an die Anhängerschaft der AfD. Dazu gehen wir aus der eigenen Filterblase heraus und über bezahlte Werbung in den sozialen Medien in die Filterblase der potentiellen AfD-Wählerschaft hinein. Die Idee entstand, weil wir in Thüringen festgestellt haben, dass dort, wo die AfD stark ist, die Gewerkschaften schwach sind und es Gewerkschaftsmitgliedern schwerfiel, sie argumentativ zu stellen. Bei einer Kundgebung vor der Frankfurter Paulskirche nach dem Wahlsieg des AfD-Kandidaten bei der Landratswahl in Sonnenberg wurde die Idee für die Kampagne zum ersten Mal öffentlich gemacht. Eine Arbeitsgruppe entwickelte daraufhin die Inhalte der Kampagne und fand eine Werbeagentur, die aus politischer Überzeugung fast kostenlos die Umsetzung machte. Kurz danach erschien auch die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung über das „AfD-Paradox“, die aufzeigt, dass die Hauptleidtragenden der AfD-Politik ihre eigenen Wählerinnen und Wähler wären. Das konnten wir in unserer Argumentation gut nutzen.

 

Die Kampagne wurde drei Wochen vor der hessischen Landtagswahl begonnen. Wir haben dazu das hessische Wahlprogramm der AfD ausgewertet. Alle Sharepics haben entsprechend Quellenangaben. Durch die Kombination von Texten und Bildern lassen sich Fakten ansprechend transportieren. Die Zielgruppe wird emotional angesprochen und dazu angeregt, die Inhalte zu teilen. Zu jedem Bild gibt es einen Faktencheck auf der Webseite.
 

Katja Pohl: Gibt es Auswertungen zur Wirkung der Kampagne?

Philipp Jacks: Wir hatten zwei Wochen lang täglich sechshunderttausend Impressionen, das bedeutet, so oft wurden die Posts angeschaut, jedoch manchmal mehrmals von derselben Person. Insgesamt haben wir drei Millionen Einzelpersonen erreicht. Wir hatten fünfundvierzigtausend Follower in den sozialen Medien. Ursprünglich war es unsere Idee, bestimmte Interessengruppen gezielt anzusprechen. Dies war jedoch technisch nicht möglich. Deshalb haben wir ganz Hessen bespielt und in den Regionen, wo die AfD besonders stark ist, Schwerpunkte gesetzt und etwas mehr Werbung geschaltet.

Zur Finanzierung konnten wir circa tausend Einzelspenden mit Beträgen zumeist zwischen 20 Euro und 200 Euro gewinnen. Während der ersten Woche unserer Kampagne ist das Ergebnis der AfD in der Sonntagsfrage um zwei Prozent zurückgegangen. Möglicherweise gibt es hier einen Zusammenhang. Außerdem haben wir die AfD-kritische Mitte der Gesellschaft erreicht. Die Kampagne liefert Argumente für Gespräche mit AfD-Anhängern. Viele haben sich gefreut über die Argumentationshilfe.
 

Katja Pohl: Die GEW Hessen hat die Kampagne mit unterstützt. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die befürchten, dass diese Form der Antiwerbung der AfD zusätzliche Aufmerksamkeit verschafft. Wie schätzt du dieses Risiko ein?

Philipp Jacks: Die #AfDnee-Posts unterscheiden sich von anderen Kampagnen gegen Rechtsradikalismus. Wir argumentieren nicht mit den Menschenrechten, denn dies verfängt nicht bei AfD-Anhängern. Es bringt auch nichts, zu sagen: „Wählt eine demokratische Partei!“, denn AfD-Wählerinnen und Wähler meinen, diese Partei sei demokratisch, weil sie an einer demokratischen Wahl teilnimmt. Deshalb argumentieren wir nicht moralisch, sondern zeigen auf, dass die AfD-Wählerschaft sich selbst schadet. Ein Teil der AfD-Programmatik ist noch innerhalb des demokratischen Meinungsstreits angesiedelt. Langfristig arbeitet die AfD aber nachweislich auf die Schädigung der Demokratie hin.
 

Katja Pohl: Welche Pläne gibt es zur Fortsetzung der Kampagne?

Philipp Jacks: Die Inhalte aus der Kampagne zur Hessenwahl wurden so aufbereitet und aktualisiert, dass sie bundesweit nutzbar sind, mit Bezug auf das Grundsatzprogramm der Bundes-AfD. Wir haben auch einzelne Sharepics entwickelt zu den Bauernprotesten und den Vertreibungsplänen, die vor kurzem bekannt wurden. Zur Europawahl im Juni werden wir die Kampagne wieder starten und zu den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September fortsetzen. Neue Inhalte sind bald im Netz verfügbar. Es ist dann auch möglich, Plakate, Flyer und Postkarten zur Kampagne zu bestellen. Weitere Materialien wie T-Shirts und Aufkleber werden vorbereitet.


Katja Pohl: Wie wird die Kampagne finanziert?

Philipp Jacks: Wir werben weiter Spenden ein. Eine bundesweite, vierwöchige Werbung in den Sozialen Medien vor der Europawahl würde fünfhunderttausend Euro kosten. Leider können wir keine Spendenquittungen mehr ausstellen. Unsere Vereinszwecke sind gemeinnützig, aber das Finanzamt ist noch in der Klärung, ob die Kampagne gegen eine einzelne Partei gemeinnützig sein kann. Wir haben deshalb den neuen, nicht gemeinnützigen Verein zur Förderung demokratischer Politik und Kultur (Demopuk) zur Fortführung der Kampagne gegründet. Letzten Endes müsste die Frage der Gemeinnützigkeit gerichtlich geklärt werden. Wir möchten unsere Energie jetzt aber nicht für monatelange Gerichtsverfahren aufwenden.
 

Es gibt vier Möglichkeiten, die Kampagne zu unterstützen: Erstens: Selbst spenden. Zweitens, noch wichtiger: Im privaten und beruflichen Umfeld weitere Spenden anwerben – am besten finanzstarke Spenderinnen und Spender, auch Organisationen und Unternehmen, ansprechen. Drittens: Die Materialien teilen. Wir verbreiten Werbung auf Instagram, Facebook, X und LinkedIn, Tiktok ist in Vorbereitung. Viertens: Vor Ort selbst bei Veranstaltungen mit den Materialien aktiv werden.